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Martin Luther als politischer Denker
Bischof Hermann Kunst, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands, hat mit seinen Publikationen, „Martin Luther und der Krieg“ (1968), „Martin Luther und die Kirche“ (1971) und „Johannes Calvin und die Kirche“ (1972) wertvolle Vorarbeiten zu dem vorhegenden Buch geleistet. Der Autor will untersuchen, in welcher Weise und wie sich Luther an den Fragen des öffentlichen Lebens beteiligt hat. Er hat dazu eingehende Studien unternommen, vor allem den sehr umfangreichen Briefwechsel Luthers mit dem Grafen von Mansfeld und mit seinen Landesherren Friedrich dem Weisen, Johann dem Beständigen und Friedrich dem Großmütigen durchgearbeitet. Dabei trat zu Tage, was in früheren Untersuchungen nicht so klar herauskam, welch’ große Rolle doch Luther als politischer Berater des Kurfürsten von Sachsen spielte und wie entscheidend er dessen Entschlüsse mitbestimmte.
Beim Lesen dieser Berichte, Briefstellen und Gutachten Luthers wird in erstaunlicher Weise der aktuelle Bezug zu unserer Zeit spürbar. Widerstandsrecht, Krieg und Frieden werden eingehend behandelt. Aus der Fülle der Themen sei Luthers Stellung zum Krieg herausgegriffen. So setzt er an den Beginn seiner Schrift „Von den Kriegsleuten“ den Satz: „Wer den Krieg anfängt, der ist im Unrecht.“
Und weiters sagt er „Der Kampf Gleich gegen Gleich sei möglich, aber es sei nicht zulässig, Krieg nach eines jeglichen tollen Herrn Kopf anzufangen.“ Es sei billig, daß der unterhege, der den Krieg begonnen hat. „Denn weltliche Obrigkeit ist nicht von Gott eingesetzt, daß sie Frieden brechen und Kriege anfangen solle, sondern dazu, daß sie den Frieden handhabe und den Kriegen wehre.“
Luther beschränkt sich aber nicht nur darauf, seiner Heimat Ratschläge zu geben. Er fühlt sich auch berechtigt, dann einzugreifen, wenn er anderswo, auch außerhalb der Grenzen seines Vaterlandes, das Recht in Gefahr sieht.
Die in diesem Buch von Hermann Kunst veröffentlichten Briefteile Luthers sind entschieden dazu angetan, zur Erhellung der Lehre von den Zwei Reichen beizutragen. Hier wird deutlich, wie die Theorie sich zur Praxis verhält. Dem Autor geht es darum, die Kirchen der Reformation zu’ einer Neubesinnung auf Luther selbst zu bewegen und aufzuzeigen, welchen Nutzen sie gerade heute, im 20. Jahrhundert, davon hätten.
EVANGELISCHER GLAUBE UND POLITISCHE VERANTWORTUNG. Martin Luther als politischer Berater seiner Landesherm und seine Teilnahme an den Fragen des öffentlichen Lebens. Von Hermann Kunst. Evangelisches Verlagswerk, Stuttgart, 402 Seiten. öS 246,40.
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