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Pater Ulrich Zankanella leitet "Franziskaner für Mittel- und Osteuropa". Das Hilfswerk versorgt Tausende in Ländern des früheren Ostblocks mit dem Nötigsten.

Im Büro der "Franziskaner für Mittel- und Osteuropa" (FMO) in Wien hängen zwei gerahmte Fotos, auf denen Fleischwaren in einer Greißlerei zu sehen sind. "Das war in Mailand, da hat mich der Hunger übermannt", sagt Pater Ulrich Zankanella, Leiter des Hilfswerks, und lacht. Pater Zankanella geht seiner Tätigkeit so unmittelbar nach, wie er die Erklärung für die Fleischfotos liefert. Sein eigener Hunger ist dabei sekundär, vielmehr interessieren ihn die leeren Mägen und sonstigen Bedürfnisse der Menschen, die in den ehemaligen kommunistischen Regionen Europas und Nordasiens leben.

Noch am Vortag war Zankanella in der Vojvodina in Serbien. "Wir haben in Subotica eine Berufsbildende mittlere Schule eingeweiht, in der Menschen mit geringer geistiger Behinderung ausgebildet werden", erzählt der Franziskaner. Um solche Menschen ist es in den ehemals kommunistischen Gebieten meist sehr schlecht bestellt. Zankanella: "Sofern vorhanden, bleiben behinderte Menschen bis zum 21. Lebensjahr in staatlichen Institutionen. Nimmt sie ihre Familie nachher nicht auf, landen sie im Altersheim. Das ist kein Leben für einen Jugendlichen, ob nun mit oder ohne Behinderung." Dank Spendengeldern aus Österreich und Deutschland können diese Jugendlichen ab jetzt in Subotica einfache Tätigkeiten wie etwa Tierfütterung oder Stallausmisten lernen, um später auf einem Bauernhof zu arbeiten.

Helfen, wo es "brennt"

Pater Zankanella erfindet keine Projekte. Die Projekte finden ihn, und zwar in Form von Ansuchen und Bittbriefen aus den bedürftigen Regionen. In Zusammenarbeit mit der Missionszentrale der Franziskaner in Bonn, reist der 64-jährige Ordensmann ständig durch von Krieg und Armut zerstörte Gebiete, evaluiert Hilfsprojekte, überprüft deren Kosten- und Finanzierungspläne, und vergibt Spendengelder zugunsten der Ärmsten der Armen. Eine Voraussetzung für die Hilfeleistung ist das Vorhandensein von Franziskanern vor Ort. Ein Anspruch, der in Ex-Jugoslawien und im Kosovo beinahe immer erfüllt ist. "In diesen Gegenden war unser Orden schon immer sehr stark vertreten. In Bosnien waren wir die einzigen katholischen Priester", sagt Zankanella. Als die Osmanen im 15. und 16. Jahrhundert bis zum Balkan vordrangen, waren die Franziskaner der einzige Orden, der im gesamten Osmanischen Reich eine uneingeschränkte Reiseerlaubnis hatte. "Diese Regelung wurde in Istanbul beschlossen, anscheinend hatten wir damals geschickte Obere. Seit dieser Zeit betreiben wir bis zum heutigen Tag einen Konvent in Istanbul. Der wird von bosnischen Mitbrüdern beschickt und widmet sich dem interreligiösen Dialog", so der FMO-Leiter.

So sind in diesen Gebieten Franziskaner die erste Adresse, wenn es um Bittgesuche geht. Und dabei werden nicht nur Brüder angesprochen. Zu den Franziskanern gehören auch von Schwestern geführte Frauenorden. Mönche und Nonnen der jeweiligen Provinzen leiten die Ansuchen zu Pater Zankanella nach Wien weiter. Auf diese Weise ist schon viel geschehen.

In der Republika Srpska in Bosnien finanzieren die Franziskaner ein fliegendes medizinisches Service, in Sarajewo und Vares ernähren sie täglich 700 Menschen mit warmem Gemüseeintopf und Brot. In der Slowakei sind es gleich sieben Klöster mit Armenspeisung, der Konvent Nové Zámky fungiert teilweise als Behindertenwerkstatt. Weitere elf Klöster geben in Rumänien Essen an Arme aus, dort unterhalten die Franziskaner auch sieben Internate und acht Horte. Die Stiftung St. Franziskus mit Sitz in Deva bittet täglich 1000 Kinder zu Tisch. In der Ukraine sind 18 Franziskanerklöster aktiv, kümmern sich um die Hausversorgung bettlägeriger Armer, arbeiten mit Straßenkindern, unterhalten Kindergärten, versorgen organisch geschädigte Kinder und versuchen den Menschen im Gebiet von Tschernobyl neue Hoffnung zu bringen. In Österreich, Tschechien, Slowenien, Albanien, Serbien, Polen, Weißrussland, Litauen und Kasachstan sind die Franziskaner mit insgesamt 176 Klöstern vertreten. Aber auch weiter im Osten, in Nowosibirsk, ist der Orden präsent und tätig.

Facetten der Armut

Das alles kostet Geld. Geld, das Pater Zankanella von etwa 20.000 Spendern aus Österreich und Deutschland bezieht. Dafür muss er für die Projekte Werbung machen, jeden Spender über Erfolge und Fortschritte der Hilfeleistungen informieren, Menschen in unseren Breitengraden von der Bedürftigkeit der Armen überzeugen. Im Regelfall geschieht das in Form von minimalistischen Postsendungen. "Wenn man den Menschen erklärt, wofür man das Geld verwendet, findet man große Bereitschaft zu Spenden. Eine Vielzahl von Spenden stammt aus sehr mageren Einkünften. Ich erkenne das oft an der Handschrift beigelegter Briefe. Es sind häufig Spenden, die zwischen zwei oder fünf Euro betragen", sagt Zankanella. Wer wenig hat, teilt gerne. Und doch: Pater Zankanella erreicht auch die Herzen der finanziell Wohlhabenden.

Als Mönch hat er ein Armutsgelübde abgelegt: "Es ist ein Unterschied, ob man freiwillig auf etwas verzichtet oder ob man nichts hat. Die Armut, mit der wir Mönche leben, würde ich eher als Bescheidenheit definieren. Armut, die weh tut, ist es nicht", sagt der Franziskaner-Pater. Mönche haben gesicherte Mahlzeiten, gesicherte Wohnungen und eine gesicherte Existenz. "Menschen, denen wir helfen, sind von unfreiwilliger Armut betroffen. Natürlich bekommt man die Motivation zu dieser Arbeit leichter, wenn man sich freiwillig zu einem bescheidenen Leben bekennt. Von daher hat man einen gewissen Vertrauensvorschuss, wenn man um Geld bittet", sagt Zankanella.

Und die Motivation rührt nicht nur aus dem bescheidenen Leben. Die Dankbarkeit der Bedürftigen wiegt mehr als das höchste Managergehalt, und auch die Effizienz erfolgreicher Hilfeleistung spornt an. Bei den diversen Suppenausgaben stehen immer wieder Kinder in der Warteschlage, die kleine Kübel tragen. Von den Eltern geschickt, sollen sie für die ganze Familie Essen holen, weil die Erwachsenen sich oft für ihre Armut schämen. "Bei einer Ausspeisung in Bosnien hat mich einmal ein alter Mann prüfend angeschaut. Einer meiner Mitbrüder hat ihm dann erklärt, dass ich das Geld für das Essen organisiere. Der Mann hat in seinen Taschen gekramt, und mir eine winzige Münze in die Hand gedrückt. Er meinte, er kann das Essen nicht bezahlen, will aber wenigstens einen Beitrag leisten. Das war für mich wesentlich berührender als jedes Lob. Er wollte seinen Stolz verteidigen, mir irgendwas geben, damit ich ihm helfe", erinnert sich Zankanella.

Widerstände und Hoffnung

Solche Erlebnisse trösten auch über Tiefschläge hinweg. Fehlinvestitionen hat es bisher noch nicht gegeben, aber manche Projekte schaffen es nicht bis zur praktischen Umsetzung. So endete die Begegnung mit einem katholischen Hierarchen im Kosovo für Pater Zankanella einmal mit dem Abbruch der Vorbereitungen für ein Projekt. "Ich habe ein Jahr lang an der Finanzierung und der Personalfindung für einen internationalen Kindergarten in Priština im Kosovo gearbeitet. Das war kurz nach Ende des Krieges. Als alles bereit war, traf ich den örtlichen Bischof, aber er lehnte das Projekt ab, und ohne seine Zustimmung durften wir nichts machen", erinnert sich der Mönch.

Trotzdem ist Pater Zankanella nie verbittert. Momentan sammelt er Spendengelder für Projekte in Winogradiw/Ukraine, in Nove Zámky/ Slowakei und in Nowosibirsk/Sibirien. Am 6. März 2008 gibt es in der Franziskanerkirche in Wien ein Benefizkonzert zugunsten der Kinderhäuser St. Michael in Ratiwzi/Ukraine. Aufgeführt werden "Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz" von Joseph Haydn.

FMO & "Franz Hilf"

FMO steht für "Franziskaner für Mittel- und Osteuropa - Franz Hilf", und ist ein kirchliches Hilfswerk, das Sozialprojekte im ehemals kommunistischen Raum Europas und Nordasiens betreut. Als Leiter der FMO erstreckt sich Pater Zankanellas Wirkungsraum von Paris bis Klausenburg/Siebenbürgen und von Albanien bis Wladiwostok. Die Schwerpunkte der Hilfsarbeit liegen in der Ukraine und in Bosnien. Die FMO reagieren auf Bittbriefe und Hilferufe aus der jeweiligen Region, und bieten finanzielle Unterstützung für Essensausgaben, Waisenhäuser, Heime für Menschen mit Behinderung, Schulen und Altenversorgung etc. Das Hilfswerk trägt das offizielle Spendengütesiegel, und legt damit die Geldflüsse jährlich offen. 2006 unterstützten die FMO 81 Projekte mit insgesamt 632.390 Euro. Das Geld stammt von etwa 20.000 Spendern aus Deutschland und Österreich.

Infos: www.fmo.at

Spendenkonto: PSK 92 044 05

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