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Verzicht auf materiellen Besitz steht - neben Keuschheit und Gehorsam - im Zentrum der Idee des Ordenslebens. Der Franziskanerpater Ulrich Zankanella im Gespräch über das Zeitgemäße an dieser Spiritualität.

Die Furche: Katholische Ordensleute verpflichten sich zu einem Leben in Armut. Warum dieses Gelübde?

Ulrich Zankanella: Es gibt verschiedene spirituelle Traditionen: Zunächst die Selbstentäußerung Christi, die schon die Mönche in der ägyptischen Wüste im vierten Jahrhundert zitierten. Von dort ging die Tradition des Mönchtums in den Westen, wobei dort die Armut verschiedene Formen hatte: Bei den Benediktinern und Zisterziensern verpflichteten sich die einzelnen Ordensmitglieder nicht ausdrücklich zur Armut. Aber es war schon damals für alle klar, dass ein Leben in der Nachfolge Christi auch ein Leben im bescheidenen Umgang mit materiellen Gütern bedeutet. Die Wandermönche beflügelte vor allem das Pilgern Jesu im Heiligen Land, auf dem Weg nach Jerusalem. Die Trias aus Gelübden der Armut, des Gehorsams und der ehelosen Keuschheit tauchte dann zum ersten Mal bei den Franziskanern im Jahr 1224 auf. Und seither ist Besitzlosigkeit festgeschrieben als eines der Gelübde für alle katholischen Orden.

Die Furche: Was bedeutet diese Verpflichtung zum Verzicht?

Zankanella: Verzicht auf Besitz bedeutet auch Verzicht auf Macht, um den Mitmenschen aus einer Position der Machtlosigkeit heraus brüderlich zu begegnen. Das ist ein Schwerpunkt des Armutsgelübdes. Ein Leben in evangelischer Armut soll die Erfahrung einer Liebe ohne Besitzansprüche vermitteln. Und wenn ich sage, ein Leben ohne Besitzansprüche, dann trifft das auch zu auf Fragen der Partnerschaft, der Ökologie, der Menschenwürde, der Grundsicherung, der Konfliktfähigkeit und damit des Friedens zwischen einzelnen und zwischen Völkern. Aber Leben in Armut heißt natürlich auch, mit Ressourcen sparsam umzugehen, sich mit dem zu begnügen, was zum Leben nötig ist. Allerdings in einem etwas umfassenderen Sinn als dem rein biologischen Überleben. Ein weiterer Aspekt des Armutsgelübdes ist, dass man sich in den Dienst der Kirche stellt und für die Menschen verfügbar ist. Die franziskanische Interpretation setzt dabei einen Schwerpunkt bei den Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen.

Die Furche: Wo ist die Grenze dieser Armut? Was besitzen die Ordensmitglieder?

Zankanella: Armut, die ein Ordensmitglied gelobt, heißt nicht Elend. Wenn wir von Armut in Österreich reden, reden wir teilweise auch von einem Bereich, der an die Grenze von Elend geht. Das ist im religiösen Sinn nicht gemeint. Die Lebenssicherung ist durch den Orden gegeben. Aber natürlich muss jeder für diese Grundsicherung auch arbeiten. Es leben auch nicht alle Franziskaner gleich arm. Einer, der zum Beispiel die Funktion eines Universitätslehrers hat, wird eine Menge Geld in Bücher investieren. Grundsätzlich gibt es jedoch die Idee des gemeinsamen Besitzes: Was jeder verdient, geht in die gemeinsame Kasse. Jedes Ordensmitglied hat nur einen sehr geringen Betrag für sich selbst.

Die Furche:Was verändert sich im eigenen Leben, wenn materielle Dinge ihren Stellenwert verlieren?

Zankanella: Ich glaube, ein Ziel dieser freiwilligen Armut ist, dass man die Humanressourcen besser bewertet. Man entdeckt den Menschen als Lebenspartner viel eher, wenn man nicht seine Konzentration dem Computer oder dem Fernseher schenkt, sondern den Mitmenschen. Der Mensch ist einfach das beglückendste Element in diesem Universum, und die Beziehung zu ihm ist wohl auch die anspruchsvollste Aufgabe, der man sich stellen kann. Wenn man die materiellen Dinge ein wenig zur Seite schiebt, rückt der Mensch in den Mittelpunkt, und so soll freiwilliger Verzicht die Beziehungsfähigkeit des Einzelnen fördern.

Die Furche: Wie haben Sie die Umstellung auf ein Leben des Verzichts empfunden?

Zankanella: Eigentlich sehr einfach, weil ich 1962, als 18- oder 19-Jähriger, mit sehr großer Begeisterung begonnen habe. Natürlich gab es dazwischen Sehnsüchte, dass man vielleicht einmal irgendwo hinfahren möchte, wo andere Leute auch auf Urlaub hinfahren. Und natürlich hätte man gern dieses und jenes an technischen Geräten, aber das alles ist ja letztlich nicht unbedingt notwendig. Wenn man religiös begeistert ist und dem armen Christus nachfolgen will, dann fällt einem vieles leichter, dann entdeckt man für sich die wesentlichen Dinge.

Die Furche:Welche Bedeutung hat dabei Reichtum?

Zankanella: Reichtum ist etwas, was den Menschen ein hohes Maß an Verantwortung zuspielt. Zunächst sich selbst gegenüber. Man muss sehen, dass man nicht menschlich verarmt, weil man materiell reich ist. Reichtum ist etwas, was Begabteren von Gott mitgegeben ist, damit sie es für andere verwalten. Administrator, der Verwalter, kommt ja vom lateinischen Wort administrare, andienen. Vermögen verwalten heißt also, dass man es anderen andient. Man muss in hoher Verantwortung dieses Kapital, diese Ressourcen nutzen, um nicht nur selber davon zu leben, sondern um das Vermögen Gottes, dem diese Welt ja gehört, so zu verwalten, dass auch andere daran angemessenen Anteil haben. Eigentlich ein sehr kluges volkswirtschaftliches Prinzip, das leider dann und wann vergessen wird.

Die Furche: Und wie begegnen die Franziskaner der unfreiwilligen Armut, dem Elend?

Zankanella: Da habe ich ein differenziertes Verhältnis. Der Mensch, der betroffen ist von der Armut, bringt nicht immer dasselbe Potenzial mit. Es gibt Menschen, die von einem Schicksalsschlag getroffen werden und verarmen, die sich aber wieder daraus erheben können. Sie brauchen Hilfe, damit sie einen Neustart wagen. Dann gibt es aber auch eine andere Form von Armut, bei der es aufgrund der Prägung des Menschen wenig Hoffnung auf Veränderung der Lebensumstände gibt. Dafür kann es die unterschiedlichsten Ursachen geben. Diesen Menschen muss man anders helfen als jenen, die Möglichkeiten haben, aus der Armut heraus zu finden. Aber in jedem Fall ist es so, dass Armut, die ich vorfinde, an mich einen Appell des Teilens meiner Ressourcen richtet. Allerdings sollte dieses Teilen von Klugheit geleitet sein. Daher sind die Franziskaner verpflichtet, aus dem gemeinsam Verdienten für die Armen einen guten Teil abzugeben. Wir arbeiten bewusst nicht nur für uns selber, sondern auch für die, die Hilfe brauchen.

Die Furche: Fühlen Sie sich reich?

Zankanella: Ja, ich fühle mich sogar sehr reich. Ich habe das Lebensnotwendige. Ich habe eine Arbeit, die beglückend ist. Ich wohne in einer Gemeinschaft, die sehr menschlich ist, die geprägt ist von allem, was Menschen prägt. Und so würde ich sagen, ich bin reich. Ich brauche nicht viel Geld oder zwei Abende in der Woche im Konzert. Ich brauche nicht immer Beefsteaks, wenngleich ich natürlich auch nichts dagegen habe, wenn man mich zu einem guten Abendessen einlädt. Aber auch Bratkartoffeln sind eine feine Sache. Es ist eine Frage der offenen Augen und des offenen Herzens, ob man reich ist oder sich arm vorkommt.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag. P. Ulrich Zankanella leitet das Büro "Franziskaner für Mittel- und Osteuropa".

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