"Wir sind stärker manipulierbar"

Werbung
Werbung
Werbung

Engelbert Washietl, stv. Chefredakteur des "WirtschaftsBlatts" und Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus" (www.iq-journalismus.at)

Die Furche: Gibt es in Österrreich Gefährdungen der Pressefreiheit?

Engelbert Washietl: Nicht im fundamentalen Sinn: Da ist die Pressefreiheit in Österreich nicht gefährdet. Die Gefährdung kommt indirekt: Erstens sind Journalisten im modernen Mediensystem stärker manipulierbar als früher. Zweitens habe ich den Eindruck, dass das nicht allen Journalisten bewusst ist.

Die Furche: Wo orten Sie diese Manipulationsgefahren?

Washietl: Da ist der Bereich der hochspezialisierten, hochqualifizierten Öffentlichkeitsarbeit aller Stellen. Das beginnt im Ministerium mit einer Pressestelle und den persönlichen Referenten des Ministers, das geht über die großen Organisationen bis zu den Unternehmen und zur PR-Wirtschaft: Die machen in Summe mehr aus als die klassischen Journalisten. Wir sind umgeben von Leuten - und das ist ihr gutes Recht - die uns in irgendeiner Form Informationen zutragen - aber doch mit der Absicht, uns zu beeinflussen.

Die Furche: Und auf journalistischer Seite ist das zuwenig bewusst?

Washietl: Ja - und es entstehen Abhängigkeiten. Wenn man all die vorbereiteten Materialien, die man bekommt, plötzlich zum Verschwinden brächte, könnte wahrscheinlich keine Zeitung gefüllt werden. Das ist ein automatischer Ablauf - unzählige Pressekonferenzen, Informationsabende... Die Journalisten sollten eigentlich recherchieren. Heute kann ich mich aber Journalist nennen und überhaupt nicht mehr recherchieren, sondern nur noch apportieren!

Die Furche: Was müsste ein Journalist in dieser Situation tun?

Washietl: Viel selbstkritischer sein und fragen: Sind diese 30 Zeilen, die ich gerade geschrieben habe, "meine" Geschichte, oder ist dies in Wahrheit die Geschichte von jemand anderem, die lediglich meine Formulierungen enthält? Da muss man sich selbst verunsichern!

Die Furche: Inwieweit spielt da die wirtschaftliche Situation eine Rolle?

Washietl: Viele Medienunternehmen sind in keiner guten wirtschaftlichen Situation, und da gibt es die Tendenz, es "noch billiger" zu machen: Man greift auf Vorgefertigtes zurück und spart so Arbeitskräfte. Man nimmt nur die Agenturen, man spart sich den, der zur Pressekonferenz gehen sollte und lässt sich das Material schicken oder mailen: So wird scheinbar alles gemacht, was zu machen ist, aber mit viel, viel weniger Qualität und personellem Einsatz.

Die Furche: Und die viel beklagte Medienkonzentration...

Washietl: ...kann auch da hinein spielen: Die Einzeltitel, die zu einem Konzern gehören, wollen kostensparend arbeiten und tauschen "Content" aus: In einer Aufmachung erscheint etwas in der einen Zeitschrift und in anderer Aufmachung das Gleiche in der anderen.

Die Furche: Österreich war bekannt für den (partei)politischen Druck auf Medien. Wie schätzen Sie da die heutige Situation ein?

Washietl: Es ist nicht schlechter als früher. Vielleicht werden die Methoden etwas diffiziler. Ich habe da ein Referat vom Herrn Lopatka, wo er deutlich sagt, es ist viel billiger, über die Journalisten und Medien zu arbeiten als zu plakatieren und zu inserieren: Das wird selbstverständlich versucht, und manchmal wird es auch direkte Einflussnahmen geben - das ist natürlich strikt abzulehnen. Da kommt es auf die Journalisten an, wie wehrfähig die sind.

Die Furche: Im Westen insgesamt beeinflusst die "Terrorismusbekämpfung" auch die Berichterstattung.

Washietl: Da gibt es wirklich Gefahr für Pressefreiheit. Es ist klar, dass man etwas gegen den Terror machen muss. Aber wenn Sie in den heutigen Zeitungen das Bild von den Särgen gefallener US-Soldaten im Irak sehen: Dieses Bild durfte - wegen der US-Zensur - bislang nur im Internet erscheinen. Das ist natürlich ein Anschlag auf die Pressefreiheit - im Namen von Patriotismus oder Staatsnotwendigkeit. Da muss man wachsam sein!

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung