Aristide Briand hatte rechtzeitig davon Wind bekommen, daß in der bevorstehenden Nachmittagssitzung eines der wichtigsten Sonderausschüsse des Genfer Völkerbundes eine sich benachteiligt fühlende Macht heftige Vorwürfe gegen Frankreich erheben werde.Briand wußte: nicht mit Unrecht. Er kannte sein Frankreich. Er litt selber schwer genug unter den Schwierigkeiten, die ihm seine Landsleute bei dem Bestreben bereiteten, die beiden Staaten endlich in ein vernünftiges, gutnachbarliches Verhältnis zueinander zu bringen.Und nun kam ihm auch noch dieser Zwischenfall von unvorhergesehener Seite
Fast der ganze Ort hatte seinen ältesten Mitbürger, den Neunzigjährigen, gebührend gefeiert. Nun waren Ansprachen, Festmusik und Lieder verklungen. Alt und jung, groß und. klein hätten sich wieder zerstreut. Lediglich ein engster Kreis von Besuchern saß noch mit dem Jubilar um dessen Tisch herum.Der Mann der Presse hatte, was er von Berufs wegen in Erfahrung oder auf die Platte bringen mußte, in seinem Notizbuch stehen, in seiner Tasche geborgen. Er war mit sich zufrieden. Jetzt saß er dem Gefeierten gleichsam im Zivil gegenüber, Mensch dem Menschen, und begann: „Wissen Sie, Herr
In einem Marktflecken, in dem ich vor Jahren ein paar Sommertage verbrachte, befindet sich ein kleines, sehr altes Schloß, das mich schon wegen seiner ungewöhnlichen Bauform anzog. Der Hauptteil war nämlich ein einstöckiger Rundbau. Er war im Kreis um den winzigen Brunnenhof errichtet. Zwei einander gegenüberliegende breitgewölbte Torwege machten ihn zum Durchhaus. Das Gebäude wendete dem Hof eine Art Säulenlaube zu und im Obergeschoß einen halb offenen Rundgang, über dessen Brüstung hängende Kapuzinerkressen wucherten, bunt und fleißig. Aus der Ferne glich der Bau einem niedrigen
Aristide, ein junger Franzose, hatte als Knabe die Gewohnheit, sooft er einen längeren Weg antrat, einen Kieselstein bei sich zu tragen. Aber nicht, uro einen Riesen damit zu fällen, wie weiland David mit der Schleuder, trug Aristide seinen Stein im Sack. Nein. Sondern zu einem ganz anderen Zweck.Wenn er müde wurde, so müde, daß er kaum noch hoffen durfte, sein Ziel zu erreichen, holte er ihn hervor und warf ihn mit der ganzen Kraft und Kunst seines Armes eine Strecke vor sich hin, die er solcherart und mit dem Arm sinnbildlich also schon bewältigt hatte, im voraus, ehe noch seine Füße
Krumm und bucklig sind die Wege zum Ruhm. Ein Schneidergeselle aus der nächsten Umgebung von Schiida aber sollte ihn auf eine ganz besonders ungewöhnliche Art erwerben. Durch eine Tat, die viel von sich reden machte und die wirklich einen gewissen Seltenheitswert für sich beanspruchen kann.Es waren schlimme Zeitläufte damals. Von Dieben und Räubern wimmelte es nur so. (Was es heute nicht mehr gibt.) Man sah sich also vor. Mancher durchaus friedliche Bürger trug in jener Zeit seine Waffe locker im Hosensack; etwas bänglich freilich; denn damals gingen noch gar nicht wenige dieser
Eine Viertelstunde Weges, das ist für den Erwachsenen ein kurzes Stück. Jedoch für vier kleine, zappelige Kinderfüße wird so ein Abstecher leicht zur Weltreise mit allen Drum und Dran.Durch den Marktflecken führte eine Straße. Außerhalb lief sie dann, eine Viertelstunde lang, offen und bieder zwi-Äcker und Wiesen hin. Nachher aber tat sie heimlich. Sie versteckte sich. Sie huschte in einen Fichtenforst und durchquerte ihn schnurgerade. Am andern Ende kam sie scheinheilig wieder heraus, als sei weiter nichts gewesen. Sie lief wieder brav zwischen Äcker und Wiesen hin, führte ab und
Zu einem eigentlichen Briefwechsel zwischen Weinheber und mir ist es nicht gekommen. Sobald mich nämlich eine Karte, ein Brief von ihm erreichte, machte ich mich auf und fuhr zu ihm.Bis zum Dezember 1934 lebte ich in Klosterneuburg. Weinheber, der ja im Postdienst stand, konnte genau abschätzen, wann ich sein Schreiben erhalten werde. Er konnte sicher sein: drei, vier Stunden später saß ich schon neben ihm vor seinem Schreibtisch in Wien.Unsere Begegnungen damals waren Arbeitsbegegnungen. Es waren die entscheidenden Jahre unmittelbar vor und nach Erscheinen von „Adel und Untergang“,
Wann in deinem leergeräumten Garten hier und dort ein Baum, ein Strauch leise zu gilben, sich zu bräunen beginnt, wann du eines Morgens betroffen am Fenster stehst, weil es so still geworden ist ohne den vertrauten Frühgesang der kleinen Sommervögel, wann du mitten im Auf- und Niedergang zwischen den schütteren Hecken innehältst, um dir den ersten silbrigen Webfaden der Wanderspinne aus dem Haar zu wischen, stockt eine kurze, bange Weile zugleich mit dem Sdiritt auch dein Herz, und deine Seele will dich etwas fragen. Verarge es ihr nicht!Eines Abends beginnst du dann mit verlegenem
Als stünde ein unirdisch schmaler, betender Engel, aufgereckt, mit steil emporgerungenen, aneinandergefalteten Händen und mit abfallendem, gesenktem Flügelpaar mitten in den drallen, buntsdieckigen Nutz-wiasen der Bauern, so erschien mir einmal, aus dem Waldrand auf die Berglehne heraustretend, eine tirolische Dorfkirche unten im zeitweise noch leicht von Nebeln umspielten Tal. Trotz ihrer überragenden Höhe, doch zart, ja filigran wie ein aufklimmender, aber flügelruhiger Falter, stand, schwebte sie, beinahe .zaghaft, inmitten klobig-breiter, wuchtiger Gehöfte, wie um inmitten des