"Da haben viele weggeschaut!"

Werbung
Werbung
Werbung

Raoul Kneucker, langjähriger Sektionschef für Forschung und inter-nationale Angelegenheiten im Wissenschaftsministerium, über die (Ohn)Macht der Beamten bei Koalitionsverhandlungen, das Wendejahr 2000 und die Personalpolitik in Seibersdorf.

Die Furche: Herr Professor Kneucker, Sie haben zwischen 1990 und 2002 als Sektionschef mehrere Koalitionsverhandlungen erlebt. Was sind bei solchen "Verteilungskämpfen" die größten Probleme?

Raoul Kneucker: Ein Problem ist, dass es den Politikern vor allem darum geht, ihre Einflussbereiche zu markieren, Grenzpfähle einzurammen. Die Details, die dahinter stecken, interessieren sie nicht wirklich. Dazu muss man auch noch wissen, dass Verhandlungen über die Aufteilung der Ministerien, wenn einmal die politischen Karten ausgespielt sind, meist den Generalsekretären der Parteien überlassen werden - nicht selten mitten in der Nacht. Da wird niemand mehr groß gefragt, sondern da wird irgendwie formuliert und die Details bleiben oft unbeantwortet. Normalerweise wird dann bestimmt, dass der bereits fixierte Minister das mit seinen Leuten ausmacht. Aber gerade in der Forschung, wo es eine Reihe von Überlappungen gibt und die Kompetenzbereinigung nie wirklich erfolgt ist, ist es sehr schwer.

Die Furche: Wer klärt dann diese Details? Die Beamten?

Kneucker: Ja - wenn sie beigezogen werden. Wir erleben aber seit 2000 eine immer größere Ausschaltung der Linienbeamten, etwa der Sektionschefs - auch der befreundeten.

Die Furche: Nun halten es manche ohnehin für ratsamer, die Spitzenbeamten zwar zu befragen, aber nicht mitentscheiden zu lassen...

Kneucker: Als Grundregel ist das nicht falsch. Auch die höchsten Beamten können betriebsblind werden und haben ihre Interessen: Aber ein kluger Politiker weiß sehr wohl zu unterscheiden, wo der Beamte blockiert oder wo er loyal Vorschläge für eine politisch gewünschte Verbesserung macht.

Die Furche: Sie selbst haben sich 2000 dafür eingesetzt, dass der Wissenschaftsfonds FWF im Wissenschaftsministerium bleibt. Am Ende ist er doch zur FPÖ ins Infrastrukturministerium gewandert...

Kneucker: Warum das so gekommen ist, kann ich nur vermuten: Die Berater haben alle den Einwand vorgebracht, dass der Wissenschaftsfonds für die Grundlagenwissenschaft an den Universitäten zuständig ist und daher zu den Unis sollte - übrigens eine Meinung, die die scheidende Ministerin Gehrer im Wahlkampf wieder vertreten hat. Aber im Jahr 2000 hat man es eben vorgezogen, den Fonds dem Koalitionspartner im Infrastrukturministerium zu geben.

Die Furche: Der Koalitionspartner FPÖ bzw. BZÖ hatte zwar keinen Einfluss auf den autonomen FWF, aber umso stärker auf das Forschungszentrum Seibersdorf. Wie beurteilen Sie nachträglich die Entwicklungen?

Kneucker: Ich bin nicht der Meinung, dass alle Besetzungen in Seibersdorf schlecht waren, aber sie sind nicht transparent gelaufen, was eigentlich heute Standard sein sollte. Da haben einfach viel zu viele Leute weggeschaut.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung