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Forschung für Europa

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Auch des sind Konsequenzen aus Österreichs EG-Beitritt: Internationale Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung, mehr Auslandsstudien der Studenten, dazu zwei Gespräche.

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Auch des sind Konsequenzen aus Österreichs EG-Beitritt: Internationale Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung, mehr Auslandsstudien der Studenten, dazu zwei Gespräche.

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FURCHE: Sie sind Leiter der neuen Sektion „Internationale Angelegenheiten” im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Welche Aufgaben hat diese Abteilung?

RAOUL KNEUCKER: Siesolldas Management der Vorbereitung einer österreichischen Fachposition zu internationalen Organisationen und Programmen und deren Umsetzung innerhalb Österreichs koordinieren. Wenn also Österreich beispielsweise am Umweltprogramm der EG mitarbeiten möchte, braucht dies die Erhebung der Stärken und Schwächen der österreichischen Forschung und Industrie auf diesem Gebiet und die Klärung, was sich Österreich von dieser Mitarbeit erwartet.

In der Folge sind dann für die Umsetzung innerhalb des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und für die Beschickung der internationalen Gremien entsprechende Fachleute auszuwählen. Weiters müssen österreichische Forscher(gruppen) zur Teilnahme an Programmen motiviert werden und für deren Finanzierung ist zu sorgen. Die Forschungsergebnisse müssen verfolgt und eventuell internationale Partner gesucht werden. Vor allem die Entsendung von entsprechenden Fachleuten in die EG-Gremien unterscheidet die Teilnahme an einem der 15 Forschungsprogramme der EG von bisherigen Aktivitäten.

FURCHE: Österreich hat doch schon an EG-Programmen mitgearbeitet?

KNEUCKER: Ja. Wir haben schon bisher an Projekten teilgenommen, arbeiten derzeit an drei Programmen mit, hoffen auf ein viertes.

FURCHE: An welchen Programmen sind wir derzeit beteiligt?

KNEUCKER: Schon bisher arbeitete Österreich am EG-Programm COMET mit, das ist ein Ausbildungsprogramm, weiters am SCIENCE-Programm für junge Wissenschaftler und Forscher, am EG-Mobilitätsprogramm, am STEP-Umweltprogramm.

FURCHE: Treibt der für 1993 angestrebte EG-Beitritt insgesamt die Internationalisierung unserer Forschung voran?

KNEUCKER: Die Zusammenarbeit in der Forschung sollte schon vorher beginnen, wir sollten bald an möglichst vielen Programmen teilnehmen.

FURCHE: Ist das realistisch?

KNEUCKER: Der Forschungs-Ministerrat der EG hat erstmals den Zugang zu allen Programmen auch für Nichtmitglieder geöffnet. Dieser Prozeß der Öffnung und der Information wird sich über ein bis zwei Jahre erstrecken. Im Lauf dieser Zeit könnten wir an bis zu acht Programmen mitarbeiten, für die auch die Finanzierung gesichert erscheint.

Derzeit geben wir zirka 140 Millionen Schilling für EG-Forschungsprojekte aus, für fünf bis acht Programme werden es künftig 400 bis 600 Millionen sein müssen. Eine schrittweise Annäherung scheint daher auch aus finanziellen Gründen angebracht.

FURCHE: „Schaut dabei” für Österreichs Unternehmen, für die Wirtschaft, „etwas heraus”?

KNEUCKER: Alle diese Programme betreffen Wissenschaft und

Industrie.

FURCHE: Und die Unternehmen leisten zur Finanzierung keinen Beitrag?

KNEUCKER: Das kommt auf die Projekte an, wir im Ministerium sind an einer möglichst engen Zusammenarbeit von Forschung und Industrie interessiert.

FURCHE: Gibt es konkrete Beispiele für diese Zusammenarbeit?

KNEUCKER: Ja, die Firma Alcatel beispielsweise hat sehr forschungsintensive Neuerungen in der Breitbandtechnik für die Telekommunikation entwickelt. Alcatel hat die eigene Forschungsabteilung mit Wissenschaftlern der Universitäten verstärkt. Wären wir schon EG-Mitglied, hätte die EG-Zentrale in Brüssel einen Teil der dafür notwendigen Kosten refundiert.

FURCHE: Österreich hätte also einen bestimmten Schlüssel-Beitrag in einen EG-Forschungspool zu bezahlen, aus dem für vom EG-Forschungsrat genehmigte Projekte ein Teil des Geldes zurückfließen würde?

KNEUCKER: Ja. Forschungsgruppen stellen ihre Projektaufträge und investieren zunächst nur in die Grundausstattung. Der Zusammenschluß zu Forschungsgruppen ist wegen der benötigten personellen und finanziellen Kapazitäten erforderlich.

FURCHE: Woher kamen die Gelder für unsere EG-Mitarbeit bisher?

KNEUCKER: Aus den Mitteln des Innovations- und Technologiefonds, des Forschungsförderungs-fonds und aus dem Wissenschaftsministerium.

FURCHE: Welche konkreten Beispiele für eine österreichische Forschungsbeteiligung gibt es noch?

KNEUCKER: Eine Forschergruppe in Verfahrenstechnik an der TU Graz unter Gernot Staudinger, beschäftigt sich im Bereich des Umweltschutzes mit Anlagen zur Verminderung des Schadstoffausstoßes der Industrie. Staudinger wurde von der EG direkt zur Betreuung eines einschlägigen Forschungspro-jektes eingeladen, fünf bis sechs Forschergruppen anderer Länder sind daran beteiligt. Gleichzeitig wird dabei natürlich ein neues Produkt für den Markt entwickelt.

FURCHE: Wie kommt es zu einer solchen Einladung an einen Forscher?

KNEUCKER: Staudingers Name war für diese Sparte international bekannt. Internationale Kontakte, Reisen, Veröffentlichungen unserer Wissenschaftler sind sehr wichtig. In Brüssel existiert quasi eine „Partnerbörse”. Dort treffen einander zweitausend Forscher aus Europa und präsentieren ihre neuesten Ergebnisse.

FURCHE: Wie geht das EG-Projekt unter Staudinger weiter?

KNEUCKER: Sein Teil der Mitarbeit am EG-Projekt wird zu einem Forschungsprojekt des Wissenschaftsministeriums.

FURCHE: Welche Vorteile hat Österreich durch seinen EG-Beitritt im Bereich der Forschung?

KNEUCKER: Das läßt sich gar nicht in Millionen Schilling ausdrücken. Die nächsten Schritte der industrielllen Entwicklung werden durch solche EG-Forschungsprogramme initiiert. Wer nicht mitarbeitet, ist vom industriellen Fortschritt abgekoppelt. Nicht mehr über Publikationen, sondern durch Teilnahme an solchen Projekten erfolgt der Zugang zu Ideen, zu künftigen Entwicklungen. Auch die Industrie, die im Bereich der Produkterzeugung einander konkurrenziert, profitiert von der Zusammenarbeit in der Forschung. Die Unternehmen können sich so über Ideen, Entwicklungen, maßgebende Wissenschaftler am laufenden halten. Europa wird nicht nur ein Wirtschaftsraum, sondern auch ein Entwicklungsraum. Die Europäer stärken einander dadurch, vereinen ihr wissensmäßiges und industrielles Potential gegenüber der Konkurrenz auf Weltebene. In immer mehr Industriezweigen ist keine andere Vorgangsweise möglich, etwa in der Telekommunikation, in der Energieerzeugung, in der Umwelt- und Entsorgungstechnik.

FURCHE: Um die hohen finanziellen Aufwendungen für unsere Forschungsbeteiligung in der EG auch parlamentarisch durchzubringen, wird wohl noch einiges an Bewußtseinsbildung notwendig sein?

KNEUCKER: Nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Betroffenen innerhalb der Forschung müssen informiert werden. Dies wird auch Aufgabe der Medien sein.

Mit Raoul Kneucker sprach Leonore Rambo-sek.

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