"Jede Menge Einzelkämpfer"

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Der Vorstoß des Infrastruktur-ministers, die Forschungsförderung unter (s)einem Dach zu vereinen, stößt auf herbe Kritik.

Auch das gedämpfte Licht im Festsaal der Technischen Universität Wien konnte nicht darüber hinwegtäuschen: Raoul Kneucker war sauer. Der für Forschungsangelegenheiten zuständige Sektionschef im Bildungsministerium ließ in seiner Wortspende nichts an Deutlichkeit vermissen: Die Vorgänge seien "analysebedürftig" und könnten nur die "Vorstufe einer Ministerialreorganisation" sein, meinte der Spitzenbeamte. "Minister Reichhold", legte Kneucker nach, "hat weit in die Bereiche von Ministerin Gehrer eingegriffen". Von hier aus war es zur Einschätzung, dass man sich wohl inmitten eines Vorwahlgeplänkels befinde, nicht mehr weit.

Es war Donnerstag vergangener Woche, als der Sektionschef im Rahmen eines TU-"Streitgesprächs" zum Thema "Wissenschafts- oder Wirtschaftsförderung" derlei offene Worte fand. Die zeitliche Einbettung der Debatte konnte brisanter nicht sein: Erst zwei Tage zuvor, am Dienstag nach dem Ministerrat, hatte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Neuregelung der Forschungsförderungslandschaft in Aussicht gestellt. Im Ressortbereich von Infrastrukturminister Mathias Reichhold (FP) würde eine "Gesellschaft des Bundes für Innovation - Forschung Austria Ges.m.b.H" eingerichtet, die als zentrale Steuerungsholding fungieren soll. Damit könnten Doppelgleisigkeiten abgebaut und die Kundenfreundlichkeit erhöht werden. Mit der Erarbeitung von Details wurde eine Expertengruppe im Infrastrukturministerium beauftragt. Schon ab 1. Jänner 2003 soll die Dachgesellschaft stehen.

Vorwahlgeplänkel

Betroffen von der Strukturbereinigung sind alle im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) beheimateten Fördereinrichtungen und Forschungsinstitutionen: dazu zählt neben dem Innovations- und Technologiefonds (itf) und dem Forschungsförderungsfonds für die gewerbliche Wirtschaft (FFF) auch der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Letztere Einrichtung, die zu 88 Prozent Grundlagenforschung an den Universitäten finanziert, ressortiert zwar rechtlich zum Infrastrukturministerium, ist inhaltlich jedoch dem Bildungsministerium von Elisabeth Gehrer (VP) zugeordnet. Umso besorgter ist man dort über die Tatsache, dass mit der Gründung der Dachgesellschaft die Autonomie des Fonds in Frage gestellt wird. Nicht nur Sektionschef Kneucker empört sich über diesen Vorstoß. "Wenn man uns zusammenlegt, würde man den Fonds ruinieren", ist auch FWF-Präsident Arnold Schmidt überzeugt. Die Begründung, mit dieser Zusammenlegung Synergieeffekte zu nutzen, kann er nicht nachvollziehen: "Dann könnte ich auch VA-Stahl und Boehler Uddeholm fusionieren."

Im Bereich universitärer Grundlagenforschung sei der FWF eben "ein Monopolist", so Schmidt. Bleibe seine Autonomie bei der Mittelvergabe gewahrt, könne er sich auch eine Neuverteilung der ministeriellen Zuständigkeiten vorstellen. Der FWF-Präsident geizt nicht mit Reformideen: Anstatt wie bisher die Universitäten mit den Schulen zu einem Bildungsministerium zusammenzufassen, sollte man über die Gründung eines "Forschungsministeriums" nachdenken, in dem die Kompetenzen von Fachhochschulen über Universitäten bis hin zu Forschung und Technologieentwicklung gebündelt sein könnten. Sollte das Infrastrukturministerium jedoch auf seinem vorgelegten Fusionierungsplan beharren, dann schließt Schmidt einen Wechsel des FWF ins Bildungsministerium nicht aus. Ein Schritt, den Helmut Konrad, ehemaliger Rektor der Universität Graz und Vorsitzender des Privatuniversitäts-Akkreditierungsrates, im Grunde begrüßen würde. Dass die wissenschaftliche Forschungsförderung derzeit zum Ministerium Reichholds ressortiere, mache ihn jedenfalls "stutzig": "Das ist schon vom Grundverständnis her anwendungsorientiert."

Künstliche Aufregung

Indes verteidigt der Vorsitzende des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, Knut Consemüller, die derzeitige Kompetenzverteilung zwischen den zwei Ministerien - ebenso wie die geplante Forschungsholding. Dass der FWF und die Grundlagenforschung dabei unter die Räder kommen könnten, befürchtet das Boehler-Uddeholm-Vorstandsmitglied nicht.

Auch seitens des Infrastrukturministeriums reagiert man auf Kritik an der geplanten Forschungs-Ges.m.b.H mit Unverständnis: "Wir machen nur eine hausinterne Reform", stellt man gegenüber der furche fest. "Da ist eine künstliche Aufregung entstanden." Zweifellos könne man darüber nachdenken, ob der FWF funktionell nicht besser anderswo beheimatet wäre - etwa im Bildungsministerium. Doch dabei handle es sich um "politische Spiele", gibt man zu bedenken.

Gerade diese "Spielereien" sind Raoul Kneucker ein Greuel. Auf der Liste der "vielen Ungereimtheiten" sieht er vor allem die eigenmächtige Berufung der Arbeitsgruppe durch das Infrastrukturministerium. Dabei ist ihm die Entflechtung des Kompetenz-wirrwarrs durchaus ein Anliegen - schon allein für die einfachere Kooperation mit der EU. "Derzeit müssen wir für Brüssel ständig fünf Ministerien koordinieren", klagt Kneucker.

Blickt man nach Strassburg, kann sich der Sektionschef schon auf neue organisatorische Herausforderungen einstellen: Erst Mittwoch vergangener Woche hat das EU-Parlament das 6. Forschungsrahmenprogramm 2002 bis 2006 mit einem Umfang von 17,5 Milliarden Euro (plus 17 Prozent) beschlossen - und die Mitgliedstaaten gedrängt, mindestens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Forschung bereit zu stellen.

Davon ist man hierzulande mit 1,83 Prozent noch weit entfernt. Auch die Beteiligung österreichischer Forscher an internationalen Programmen lässt zu wünschen übrig, weiß Kneucker und ortet an den heimischen Universitäten allzu oft den Ungeist des Provinzialismus: "Der Konkurrent sitzt nicht im Nachbarinstitut, sondern im anderen Land." In dieser Kritik pflichtet ihm auch Helmut Konrad bei: "Wir haben jede Menge Einzelkämpfer. Insofern wäre an mehr Kooperation schon was dran." Mit einem österreichischen "Generalforschungsplan", bei dem man sich "auf das Wesentliche konzentrieren" soll, will Minister Reichhold diesem Umstand entgegenwirken. Auch in der Forschungsquote will die Regierung Europaniveau erreichen. Glaubt man dem vielpropagierten Ziel, soll sie bis 2005 auf 2,5 Prozent des BIP steigen. Laut FWF-Präsident Schmidt nur eine "zufällige, aus einer guten Laune entstandene Zahl". Im Budget seines Förderungsfonds schlägt sich die Forschungsinitiative jedenfalls nicht nieder: Erstmals seit 13 Jahren sehe man sich mit einer Reduktion um vier Prozent auf nunmehr 90,1 Millionen Euro konfrontiert, kritisiert Schmidt.

Keinen Grund zur Klage hat dagegen die Österreichische Akademie der Wissenschaften: Aus den Sondermitteln für Forschungs- und Technologieförderung der Bundesregierung in der Höhe von rund 509 Millionen Euro hatte ihr der Forschungsrat insgesamt 61,27 Millionen Euro zugeteilt, freut sich Präsident Werner Welzig.

Auf die Frage, wie er die Zusammenlegung der Fördertöpfe bewertet, hält er sich freilich bedeckt. Dass Forschungspolitik in Hinkunft eine größere politische Rolle spielt, ist für Welzig jedenfalls unbestritten. Sogar als Wahlkampfthema könne dieses Thema punkten, gibt sich der Präsident im Gespräch mit der Presse überzeugt.

Glaubt man ihm, dann hat der Stimmenfang schon längst begonnen.

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