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TV-Familien: Klischee und Realität

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Auf der Jagd nach Einschaltquoten und Reichweiten bleibt die Frage nach einem verantwortbaren „Familienbild in den Medien” auf der Strecke.

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Auf der Jagd nach Einschaltquoten und Reichweiten bleibt die Frage nach einem verantwortbaren „Familienbild in den Medien” auf der Strecke.

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Mehr als fünfzig „Familienserien” flimmern wöchentlich über die heimischen Bildschirme. Angefangen von der Wald-und Wiesenidylle des „Forsthauses Falkenau” bis hin zur problemüberfrachteten „Lindenstraße”, werden die vielfältigsten Formen von „Familie” präsentiert.

Im furche-Gespräch erinnert ORF-Programmintendant Wolfgang Lorenz an seine langjährige Forderung, ein Unterrichtsfach „Medienpädagogik” verbindlich in den Schulen einzuführen. Während etwa Unterrichtsminister Rudolf Schölten diese Vorstellung begrüße, scheint es seitens der Schulbürokratie „Widerstände zu geben, dieses Fach im Unterrichtsplan zu institutionalisieren”, argwöhnt Lorenz. Es sei allerdings „höchste Zeit, denn in diesem gesellschaftlichen Vakuum tickt eine Zeitbombe”, warnt der Programmintendant vor weiteren Verzögerungsversuchen. Denn der ORF verstehe sich „nicht als elektronische Volkshochschule” mit einem Erziehungsauftrag für die ganze Nation. Für Lorenz liegt der Ball bei allen Betroffenen, ob Medienmacher, Eltern, Schule oder Medienpädagogen. Letztlich müssen wir „Eltern erzeugen, die in der Schule schon Medienerziehung gehabt haben”, fordert Lorenz.

Angesprochen auf die Familienserien und das „Familienbild im

ORF” kontert Lorenz mit dem Hinweis, daß gerade die TV-Familienserien „künstliche, fiktive Familien zeigen”, bei denen die Zuseher sehr wohl zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden könnten. Das Medium selbst sei „nur für die Töne und Bilder verantwortlich”.

„Keine Norm-Familie”

Hingegen verwehrt sich die Medienexpertin des Katholischen Familienverbandes, Ingeborg Schödl, gegen Klischeevorstellungen, die in diesen Familienserien transportiert würden, insbesondere die neue „Feiertags-Familie”, in der die Männer im Beruf erfolgreich seien und sich zu Hause eher dümmlich anstellen würden. Nach Lorenz wollten aber gerade Österreichs Familien „alles sehen, nur nichts über sich selbst”. Die Schlußfolgerung: „Ist das Fernsehen gut, dann geht es auch der Familie gut”, hält Lorenz für „faschistisch”. Kritik am sogenannten „Familienbild des ORF' gehe oft von falschen Erwartungen und Voraussetzungen aus. So sende der ORF gerade im „Jahr der Familie” eine Vielzahl familienrelevanter Beiträgen in Hörfunk und Fernsehen. Andererseits „kann der ORF nicht die Ö-Norm-Familie” vorleben, die es auch in Wirklichkeit nicht mehr gebe. Für Lorenz ist der Familienbegriff in der Toleranz der Vielfalt angesiedelt. Der ORF habe sich nie die Frage gestellt, „wie man die Familie atomisieren könnte”, weist Lorenz diverse Verdächtigungen gegen sein Medium zurück. Lorenz: „Es gibt „keine Absichtserklärung zur Erhaltung oder Zerstörung der Familie.”

Im Gegensatz zu Lorenz warnt der niederösterreichische Nationalratsabgeordnete Franz Kampichler (ÖVP) vor einer „weiteren Überforderung der Schule.” Der Schule dürfe nicht auch noch die „Verantwortung für gesellschaftspolitische Versäumnisse aufgehalst werden”, kritisiert Kampichler im furche-Ge-spräch. Viele Familienberatungsstellen seien mit „mangelndem Wissen der Eltern in Erziehungsfragen” konfrontiert. Zudem gingen viele Betroffene nicht zu Fortbildungsveranstaltungen. Die „beherrschenden Medien in den Familien, nämlich Fernsehen und Video”, könnten verstärkt Konfliktsituationen aufzeigen und Lösungsvorschläge präsentieren. Eine in dieser Hinsicht vorbildliche Sendung ist für Kampichler das vom ORF-Familienfunk Kärnten gestaltete Magazin „Viva”. Für den Familienpolitiker haben die Massenmedien die Aufgabe, das Elternhaus in die Lage zu versetzen, mit Medien umgehen zu lernen sowie Hilfen anzubieten. „Hier nimmt der ORF die Verantwortung jedoch sehr locker”, kritisiert Kampichler, „viele transportieren ihre gesellschaftspolitischen Anliegen und verkaufen diese als nachzuahmende Norm”.

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