Der Doyen der Soziallehre

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Seit ihren Anfängen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Katholische Soziallehre von Österreichern wesentlich mitgeprägt. Der Jesuit Johannes Schasching, der am 10. März 85 Jahre alt wird, gehört zu diesen großen Denkern, die die Sozialdoktrin der katholischen Kirche formuliert und weiterentwickelt haben.

Als Sohn eines Maurers 1917 in St. Roman/OÖ geboren trat Schasching 20-jährig bei den Jesuiten ein. Durch Weltwirtschaftskrise und polarisierte Situation der Ersten Republik wurde er politisch geprägt. Er studierte in Wien, Innsbruck, München, New York, Chicago und Löwen Philosophie, Theologie und Sozialwissenschaften. In den fünfziger Jahren lehrte er Sozialethik in Innsbruck, in der ersten Hälfte der sechziger Jahre war er Provinzial der österreichischen Jesuiten. Ab 1966 lehrte Schasching an der Gregoriana in Rom, 1982 bis 1989 war er Dekan ihrer Sozialwissenschaftlichen Fakultät.

Schasching war in sozialen Fragen ein gewichtiger Berater von Jesuitengeneral Pedro Arrupe und des Papstes, auch bei den Sozialenzykliken Johannes Pauls II. - Laborem exercens (1981), Sollicitudo Rei Socialis (1987) und Centesimus Annus (1991) - war seine Kompetenz gefragt. Gegenwärtig wird in Rom keine neue Sozialenzyklika erarbeitet, sondern ein "Sozialkatechismus", eine aktuelle Kompilation der sozialen Lehraussagen der katholischen Kirche. Auch dabei engagiert sich Schasching.

Seit 1991 ist Schasching wieder in Österreich und arbeitet in der Katholischen Sozialakademie mit. Bei der Diskussion um die Abfassung des Sozialhirtenbriefes der katholischen Bischöfe Österreichs (1990) brachte er gewichtige Argumente ein, ebenso beim ökumenischen Sozialwort, das die Kirchen Österreichs zur Zeit in einer gemeinsamen Anstrengung erstellen.

In Sachen "sozialethische Ökumene" ist Schasching zur Zeit unterwegs: Er bemüht sich, im Westen die Sozialdoktrin der russisch-orthodoxen Kirche bekanntzumachen, die - zum ersten Mal in der Orthodoxie - 2000 in Moskau beschlossen wurde.

Das Eintreten für eine gerechtere Welt bleibt Schaschings Herzensanliegen. Als er zu Jahresbeginn in der furche den Papst zitierte, dass es beim "Drama der Unterentwicklung" nicht primär um eine Schuld einzelner Menschen oder Gruppen gehe, sondern um "wirtschaftliche und politische Strukturen und Mechanismen", die sich in einem langen Prozess entwickelt hätten und ihre Macht über ganze Völker und Kontinente ausübten, formulierte der Doyen der Sozialethik auch seine eigene innerste Überzeugung. ofri

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