Sach-, menschen- und gesellschaftsgerecht

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Am 10. März wäre P. Johannes Schasching SJ, Mitgestalter und Anwalt der Katholischen Soziallehre, 100 Jahre alt geworden. Eine Würdigung.

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Am 10. März wäre P. Johannes Schasching SJ, Mitgestalter und Anwalt der Katholischen Soziallehre, 100 Jahre alt geworden. Eine Würdigung.

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Geboren 1917 im Innviertel/OÖ und aus einfachen Verhältnissen stammend, bewegte P. Johannes Schasching ein Leben lang die soziale Frage. Für viele Menschen unterschiedlichster Herkunft war er ein Begriff: als Jesuit und Professor, als Seelsorger und Mensch.

Ein erstes zentrales Anliegen von Schasching war es, die spezifische Situation der Kirche im Kontext der jeweiligen Gesellschaft zu reflektieren. Wie er schon von seiner Herkunft erfahren konnte, hatten sich mit der Industrialisierung die Verhältnisse in Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend gewandelt. Religions-und kirchensoziologische Studien zeigten deutlich, wie von diesem Veränderungsprozess auch die Position der Kirche und ihrer Mitglieder betroffen waren. Diese veränderte Situation der Kirche thematisierte Schasching in seinen ersten Publikationen: "Katholische Soziallehre und modernes Apostolat"(1956),"Kirche und industrielle Gesellschaft" (1960) und "Röntgenbild der industriellen Gesellschaft"(1962).

Die soziale Botschaft der Kirche

In dieser gewandelten gesellschaftlichen Situation ist die Kirche gefordert, ihre soziale Botschaft verständlich und wirksam zu vermitteln. Deshalb suchte Schasching mit der Publikation "Die soziale Botschaft der Kirche von Leo XIII. bis Johannes XXIII." (1963) die bis dahin veröffentlichten weltkirchlichen Dokumente der Katholischen Soziallehre einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

An der Weiterentwicklung dieser Soziallehre hatte Schasching während seiner Zeit in Rom als Professor an der Päpstlichen Uni Gregoriana (1966-91) wesentlichen Anteil. So konnte er in der Folge die Sozialrundschreiben auch aus erster Hand kommentieren. In der Schriftenreihe der Katholischen Sozialakademie Österreichs erschienen: "In Sorge um Entwicklung und Frieden"(Kommentar zu Sollicitudo rei socialis, 1988) und "Unterwegs mit den Menschen"(Kommentar zu Centesimus annus, 1991).

Wie solche kirchlichen Sozialdokumente zustanden kamen und rezipiert wurden, zeigte Schasching kritisch 1994 mit der historischen Studie "zeitgerecht - zeitbedingt. Zur Entstehung des Rundschreibens Quadragesimo anno (1931)" auf. Dieses Rundschreiben ist schicksalshaft mit der Begründung der Errichtung eines Ständestaates in Österreich 1934 bis 1938 verbunden.

Bei all seinen Arbeiten im Dienst der Weltkirche blieb Schasching der Ortskirche in Österreich verbunden. Nach seiner Emeritierung (1991) wirkte er an der Katholischen Sozialakademie Österreichs und hatte entscheidenden Anteil an der Erarbeitung des Sozialhirtenbriefes der Österreichischen Bischöfe (1990) und des Sozialwortes des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (2003).

Sozial-und Wirtschaftsordnung

In zahlreichen Artikeln und Beiträgen hat Schasching skizziert, in welche Richtung eine Sozial-und Wirtschaftsordnung aus der Sicht der Kirche auszugestalten ist. Arbeit und Wirtschaft dienen einem verantwortungsbewussten Gestalten der Welt, der materiellen Sicherung und der Sorge um die Zukunft, damit alle ein menschenwürdiges Leben führen können. Nur eine menschengerechte Gestaltung von Arbeit und Wirtschaft führt auf lange Sicht zum besten wirtschaftlichen Erfolg und der Sicherstellung der materiellen Grundlagen auf Zukunft hin.

In der Wirtschaft geht es deshalb nicht nur um die Bereitstellung von Gütern und Diensten, sondern wesentlich um die Zusammenarbeit der Menschen, deren Würde Achtung verdient. Um den Wirtschaftsprozess auf das Gemeinwohl hinzuordnen und einen sozialen Ausgleich zu schaffen, bedarf es des gestalterischen Handelns des Staates.

Verantwortungsbewusste Unternehmer sollen nicht nur sachgerecht, sondern immer auch menschengerecht und gesellschaftsgerecht handeln. Neben dem Mut zum Risiko und sozialer Kompetenz brauchen Unternehmer den Sinn für das Gemeinwohl und den Blick für die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen.

Seitens der Arbeitnehmer bedarf es nicht nur des persönlichen Einsatzes, sondern auch der Mitverantwortung für die Gestaltung der Gesamtwirtschaft. Interessenvertretung muss auf das Gemeinwohl und weltweite Solidarität ausgerichtet sein.

Ein besonderes Anliegen war es Schasching, die Soziallehre auch im Bereich der Kirche umzusetzen. Er selbst leistete dazu einen Beitrag in seiner Mitarbeit im Arbeitsamt des Vatikans, das 1989 errichtet wurde.

In Sorge um die Menschen

Wie Schasching durch das Aufmerksamwerden auf die Probleme der einfachen Leute zu den Sozialwissenschaften stieß, so begleitete ihn von Anfang an ein waches Interesse für die konkreten Menschen, ihre Hoffnungen und Sorgen.

Bezeichnenderweise finden sich bereits neben seinen ersten Publikationen zu sozialwissenschaftlichen Themen auch "Nachtgedanken der Politiker, Manager und Prälaten" (1961); in ihnen kommen die vielfältigen Sorgen und Belastungen von Menschen in Verantwortungspositionen zur Sprache.

Während seiner Zeit in Rom sind es nicht nur die Mitbrüder aus dem Jesuitenorden, denen er zur Verfügung steht, sondern vor allem auch Studenten aus Übersee und Besucher der Ewigen Stadt, denen seine Führungen unvergesslich bleiben.

Seinem seelsorglichen Sinn entsprach auch die Begleitung einer pastoralen Initiative in den Neubausiedlungen am Stadtrand von Rom, dem Centro Giano, wo er die Zusammenarbeit von Schwestern der Caritas Socialis mit Theologiestudenten zum Aufbau einer Gemeinde begleitete. Zudem verbrachte Schasching jedes Jahr einige Wochen zur Seelsorgsaushilfe in seiner engeren Heimat. Im Mitgehen des Weges, in der Nähe zu ihren täglichen Fragen und Problemen blieb Schasching den Menschen verbunden. So hat er ihnen die soziale Botschaft der Kirche nahegebracht -im Sinne ihres Leitworts nach Johannes Paul II.:"Der Mensch ist der Weg der Kirche."

| Der Autor, langjähriger Direktor der Katholischen Sozialakademie Österreichs, ist Ökonom der Österr. Jesuitenprovinz |

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