Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Kirche und Wirtschaft
„Ökonomisch" und „ökumenisch" wird noch immer verwechselt. Von dem, was damit gemeint ist, läßt sich das nicht behaupten. Wirtschaft und Glaubensgemeinschaft werden von vielen als nicht zusammenpassende Lebensbereiche erachtet.
Nicht wenige brave Gläubige vermuten hinter jedem Unternehmer prinzipiell einen halben Gottseibeiuns mit Bocksfuß und Schwefeldrüse. Viele Wirtschaftstreibende fühlen sich von der Kirche prinzipiell mißverstanden oder unbeachtet. Kleingewerbler und Greißler, die am Rand des Existenzminimums ihr Überleben fristen, scheinen trotzdem in keiner Katastrophenliste in kirchlichen Sozialdokumenten auf.
Ein Symposion des Katholischen Laienrates Österreichs, in der gastlichen „Ostarrichi"-Gemeinde Neuhofen an der Ybbs heuer zum viertenmal veranstaltet, versuchte diesmal, dieser Thematik nachzuspüren. Zunächst wurde an einige wenig bekannte Tatsachen erinnert - etwa die ausdrückliche Anerkennung unternehmerischer Leistungen im Sozialhirtenbrief österreichischer Bischöfe von 1989 (Abschnitt 24) und das ausdrückliche Ja auch zur „berechtigten Funktion des Gewinns" in der Papstenzyklika „Centesimus annus" 1990 (35).
Wahr ist andererseits ebenso, daß zur „Wirtschaft" nicht nur Unternehmer und Manager, sondern auch die unselbständig Erwerbstätigen gehören, denen kirchliche Bemühungen seit 150 Jahren gelten. Wahr ist ferner, daß gerade auch viele Unternehmerpersönlichkeiten heute die Sinnfrage beschäftigt, deren überzeugende Beantwortung (nicht nur in diesen Gruppen) die Kirche vielfach schuldig bleibt. Und wahr ist ferner, daß Wirtschaften nicht nur ein Sachprozeß technischer und organisatorischer Natur ist, sondern auch ein soziales und ein kulturelles Geschehen.
Für den Sachprozeß Wirtschaft hat die Kirche keine konkreten Modelle anzubieten. Aber ihre seit Jahrzehnten vertretenen Grundsätze der Subsidiarität, der Personalität und der Solidarität setzen sich zunehmend auch in nichtkirchlichen Bereichen durch.
Damit eine Marktwirtschaft als menschengerechtes Wirtschaftssystem angesehen werden kann, formuliert die kirchliche Soziallehre Voraussetzungen und Kriterien, die in Neuhofen P. Johannes Scha-sching SJ anschaulich herausarbeitete: Förderung der „kleinen Zellen" in der Gesellschaft (vor allem Familien, aber auch freiwillige Verbände), Maßnahmen gegen neue Armut, Sozialpartnerkonsens zur Sicherung des sozialen Friedens, politische Demokratie, Internationa-lisierung der Problemlösungen, Nutzung des Wertepotentials anderer Kirchen und Religionen, aber auch nichtreligiöser, aber ethisch engagierter Menschen.
Bleibt noch der Wunsch, Sozialenzykliken möchten sich so klar und logisch lesen wie Schaschings Deutungslektionen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!