Die Sünden wegwaschen

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Vor dem Parlamentsgebäude im Zentrum von Dublin wird immer wieder demonstriert. Ein schlaksiger Mann von etwa 50 Jahren hält eine Tafel mit Zeitungsausschnitten und Fotos in den Händen. Er stellt sich als David vor: "Ich bin der Sohn einer der Magdalenen-Frauen“, sagt er in abgehackter Sprache, der man anhört, dass es das Schicksal mit ihm nicht gut gemeint hat. "Ich kam im Mutter-und-Kind-Heim St. Patrick’s in der Navan Road zur Welt und habe dort vier Jahre gelebt.“

Die Magdalenen-Heime, benannt nach der biblischen Sünderin Maria Magdalena, waren berüchtigte Arbeitshäuser und Korrekturanstalten für das, was man damals als "gefallene Mädchen“ bezeichnet hat. Von den ersten Tagen der Republik in den 1920er Jahren bis in die 1990er Jahre wurden diese von geistlichen Schwestern geleiteten Anstalten als angemessener Aufenthaltsort für junge Frauen betrachtet, die uneheliche Kinder zur Welt brachten oder auch nur durch unangemessenes sexuelles Interesse aufgefallen waren. Rund 10.000 Frauen wurden im Laufe der Jahrzehnte vor allem in Wäschereien als wehrlose Arbeitssklavinnen gehalten. Die Entlassung stand rein im Ermessen der Ordensschwestern, von denen viele auch ihre sadistischen Triebe an den wehrlosen Opfern auslebten.

Den Frauen in den Heimen wurden nach einigen Jahren auch die Kinder abgenommen und zur Adoption freigegeben. Viele von diesen trugen auch bleibende Schäden davon, wie David. Seine Mutter musste in der Wäscherei arbeiten. "Mich hat sie deswegen vernachlässigt, und ich litt an Unterernährung.“ Er vermutet, dass er auch Opfer medizinischer Experimente wurde, für die Heimkinder damals missbraucht wurden. David wurde schließlich im Alter von vier Jahren adoptiert. Seine Mutter musste in der Institution bleiben. Es waren fast ausschließlich Mädchen und junge Frauen aus armen Familien, die in den Magdalenen-Heimen landeten. Die irische Öffentlichkeit erfuhr von den Magdalenen-Heimen erst vor 20 Jahren, als eine Baufirma, die einen Trakt eines Nonnenklosters gekauft hatte, im Hof ein Massengrab entdeckte. 155 Frauen waren dort ohne Grabinschrift verscharrt worden.

Späte Anerkennung

Erst im Februar rang sich Premier Enda Kenny dazu durch, auch die staatliche Verantwortung anzuerkennen. Später beschloss das Parlament, Entschädigungen zu zahlen. In deren Genuß sollen zunächst jene 800 bis 1000 Frauen kommen, die heute noch leben. Ob auch die Kinder, wie David, entschädigt werden sollen, wird noch diskutiert.

Der Einfluß der katholischen Kirche war in der jungen Republik nahezu unermesslich. Der streng konservative Erzbischof John Charles McQuaid schrieb an der Verfassung Irlands mit. So erhielt die Kirche Sonderrechte. Frauen wurden an den Herd verbannt. Der Maler Robert Ballagh erinnert sich: "Mädchen durften nicht am Sport teilnehmen, weil die Bischöfe meinten, dass Mädchen in Shorts bei den Burschen sündige Gedanken provozieren würden.“ Die Bischöfe maßten sich selbst das Recht an, Katholiken den Besuch im Stadion zu verbieten, wo die irische Nationalmannschaft auf das kommunistische, also gottlose, Jugoslawien traf. In 40 Jahren Kampf um gesellschaftlichen Freiheiten haben die Frauen immerhin das Recht auf Scheidung erstritten. Verhütungsmittel sind seit einigen Jahren nicht mehr verboten und für Frauen im Staatsdienst gilt nicht mehr, dass sie ihre Stelle aufgeben müssen, sobald sie heiraten.

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