Durch und durch hermetisch

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Nun kommt Ulrich Seidls "Paradies: Glaube“ auch hierzulande ins Kino. Einmal mehr keine leichte Kost. Aber vor allem die Darstellung der extremen Katholikin Anna Maria durch Maria Hofstätter macht diesen Film plausibel.

Allein die schauspielerische Performance von Maria Hofstätter ist ein Argument, sich mit "Paradies: Glaube“, dem zweiten Teil von Ulrich Seidls "Paradies“-Trilogie auseinanderzusetzen. Zum Filmstart wurde bekannt, dass die aus Oberösterreich stammende Schauspielerin den diesjährigen Großen Diagonale-Preis erhalten wird. Zu Recht. Es dürfte - vgl. das letztwöchige FURCHE-Interview mit Hofstätter - hierzulande kaum jemanden geben, der sich einer Rolle so total zu nähern versucht (und vermag) wie Hofstätter als extreme Katholikin Anna Maria.

Das bedeutet keineswegs, dass man gegen den neuen Seidl-Film nicht auch Vorbehalte ins Treffen führen kann. Und die betreffen nicht die erotischen Jesus-Fantasien der Protagonistin: Wie so oft kommen die Anwürfe dazu aus dem äußerst konservativen Eck; man muss schon ein wenig böswillig sein, um hier "Blasphemie!“ zu schreien. Nachvollziehbare Einwände religiös verwurzelter Menschen beziehen sich gegen die in diesem Film innewohnende Anmutung von Religiosität, die Ulrich Seidl ja schon in "Jesus, Du weißt“ anno 2003 walten ließ: Es sind einmal mehr deformierte Zugänge zur Religion, die nicht nur bloßgestellt werden, sondern die Religion per se unter Totalitarismus-Verdacht stellen.

Natürlich gibt es religiösen Totalitarismus, und die fundamentalistische Versuchung ist auch im Christentum keineswegs gebannt. Aber das Seidl’sche Setting lässt "normale“ Religiosität nicht zu, sondern denunziert eine solche quasi in einem Aufwaschen mit den extremen Formen.

Dazu kommt, dass das Ausgangssetting - obsessive Katholikin, die mit einem säkularen (und Alkohol trinkenden), teilweise gelähmten Muslimen verheiratet ist - ebenfalls bereits in "Jesus, Du weißt“ zu sehen war. Es mag dramaturgisch plausibel sein, die Fundamentalismuskeule einmal gegen das Christentum und nicht gegen den Islam zu schwingen. An der Oberfläche bleibt die Auseinandersetzung auf dieser Ebene leider dennoch.

Man sollte diese Vorbehalte, wenn sie denn da sind, dennoch hintanhalten, denn die Beschäftigung mit "Paradies: Glaube“ hält einiges an Aufschluss bereit: Die hermetische Welt des Glaubens, in der sich die Röntgenassistentin Anna Maria hier verbarrikadiert, spricht für sich und verhüllt gerade jene Wahrheit und jene befreite Menschlichkeit, der die Religion im Allgemeinen und das Christentum im Besonderen verpflichtet sein wollen.

Ulrich Seidl erweist sich da aufs Neue als unerbittlicher Meister, diesen Hermetismus darzustellen, ja, auf die Spitze zu treiben. Die Filmsprache dieses Regisseurs, das Einzwängen in statische bis starre Bilder fördert dies allemal. Das alles ist für den Gläubigen wie für einen an Humanität Interessierten gleichermaßen schmerzlich wie aufklärend. Man erfährt so einiges über die Fallen, in die ein von der Welt entkoppelter Glaube tappen kann.

Diese Erkenntnis war offenbar erst durch das unnachahmliche Spiel der Maria Hofstätter in die richtige Dimension zu bringen. Die sieben Jahre, die sich dieses mimische Ausnahmetalent abgerungen hat, um ihrer Rolle gerecht zu werden, haben sich zweifelsohne ausgezahlt. Und wie.

Paradies: Glaube

A/D/F 2012. Regie: Ulrich Seidl. Mit Maria Hofstätter, Nabil Saleh. Stadtkino. 114 Min.

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