Fahrrad fahren soll chic werden

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Mit dieser Mission hat die Stadt Wien vor knapp einem Jahr die Wiener Radagentur gegründet. Diese ist Anlaufstelle und Sprachrohr für Radfahrer und will mit gezielten Kampagnen für das Radfahren in Wien werben. Um die Zielgruppen und Potenziale der Wiener Radfahrer zu erforschen, gab die Radagentur eine bisher unveröffentlichte Studie in Auftrag.

Das Studienergebnis zeigt, dass Wiener Radfahrer ein eher hohes Bildungs- und Einkommensniveau haben, mehrheitlich zwischen 26 und 50 Jahre alt und eher männlich sind. Fahrten zur Arbeit sowie Arbeitswege nehmen einen sehr hohen Teil der Radfahrten in Wien ein, Tendenz steigend.

Künftig möchte die Radagentur noch stärker um die Zielgruppe der Frauen und der 20- bis 40-Jährigen werben. Laut Studie gehören 44 Prozent der österreichischen Bevölkerung zu den "potenziellen Radfahrern“. In Wien liegt der Wert noch deutlich höher. Angesichts einer aktuellen Radfahrer-Quote von sechs Prozent in Wien ist das Potenzial also noch lange nicht ausgeschöpft. Ehrgeiziges Ziel der Wiener Radagentur ist es, in den nächsten drei bis fünf Jahren eine neue Fahrrad-Kultur zu etablieren: Das Rad soll sich zum selbstverständlichen Alltagsverkehrsmittel erster Wahl entwickeln.

Warum Menschen auf das Rad umsteigen

Unter welchen Umständen Leute auf das Rad umsteigen, hat der Linzer Umweltökonom Reinhard Priewasser untersucht: Im ersten Entscheidungsschritt beurteilen potenzielle Radfahrer die Infrastruktur: Gibt es Parkplätze? Wie dicht ist der Verkehr? Sind Radwege vorhanden? Wie ist das Öffi-Angebot? Im zweiten Schritt kommen persönliche Faktoren wie Alter, körperliche Verfassung sowie soziales Milieu (siehe Kästen) zum Tragen. Zudem spielen die "situativen Rahmenbedingung“ eine Rolle: Wie ist das Wetter? Muss etwas transportiert werden? Wie weit ist die zurückzulegende Strecke? Das Fazit des Forschers: Um die Menschen zum Fahrradfahren zu bewegen, müssen gezielte Anreize gesetzt werden.

Die Umstiegswilligen

Um herauszufinden, welche Bevölkerungsgruppen in Wien mit dem Rad fahren, wurde eine umfangreiche deutsche Milieu-Studie zum Thema Radfahren auf Österreich umgemünzt.

Das Studienergebnis: Urbane Radfahrer sind in den innovativen, oberen Bildungs- und Einkommensschichten überrepräsentiert. Folgende Milieus lassen sich grundsätzlich für das Radfahren gewinnen: Die "Performer“ (neun Prozent) haben den aktuellen Radtrend gestartet, die "digitalen Individualisten“ (sechs Prozent) forcieren den Radtrend, die "Postmateriellen“ (neun Prozent) wiederentdecken das Radfahren, die "Etablierten“ (neun Prozent) folgen dem Trend in der ersten Phase, die "Adaptiv-Pragmatischen“ (zehn Prozent) folgen in der zweiten Trendphase und die "Hedonisten“ (elf Prozent) ziehen die übrigen Milieus nach sich. Künftig möchte die Radagentur Wien mehr "Etablierte“ und "Performer“ ansprechen.

Die Umstiegsverweigerer

Diese Milieus sind für das Radfahren nur schwer zu gewinnen: Die "Traditionellen“ (15 Prozent) sind die sicherheitsliebende Kriegs- und Nachkriegsgeneration. Sie sind in der kleinbürgerlichen Welt und in der traditionellen Arbeiterkultur verhaftet. Die "Bürgerlichen“ (14 Prozent) gehören dem leistungs- und anpassungsbereiten bürgerlichen Mainstream an, der nach gesicherten und harmonischen Verhätnissen strebt und den Status quo der sozialen Ordnung bejaht. Auch die "Prekären“ (neun Prozent) fahren nicht gerne mit dem Rad: Für diese Unterschicht bedeutet der Besitz eines Autos Status. Sie suchen Orientierung und gesellschaftliche Teilhabe und haben dabei starke Zukunftsängste und Ressentiments. Die"Konservativ-Etablierten“ (zehn Prozent) möchten ebenso wenig auf das Rad umsteigen: Der Drahtesel passt nicht zu den Exklusivitätsansprüchen des klassischen Establishments.

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