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Konventionell schaurig

Für Britanniens Bildungsbürgertum gehört der Roman zur Allgemeinbildung: Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ ist ein vielschichtiges Werk, aus dem auch ein Film vieles herausholen könnte: Die Frage nach dem Jugendwahn (statt des bildhübschen Dorian altert bekanntlich nur dessen Porträt) oder dem Narzissmus und Hedonismus einer morbiden Gesellschaft sowie das homoerotische Motiv, das Oscar Wilde ja zeitlebens umgetrieben hat. Die Moritat in Romanform rief seit Beginn des Genres die Filmer auf den Plan (das erste Opus datiert aus 1910) und wäre zweifelsohne einer zeitgenössischen Filminterpretation würdig. Allerdings beschränkt sich Oliver Parker – mit „Ein perfekter Ehemann“ (1999) und „Ernst sein ist alles“ (2002) längst Oscar-Wilde-Film-erprobt – auf eine im Grund konventionelle Erzählung des schaurigen Stoffes, in der der britische Jungstar Ben Barnes (als Prinz Kaspian von Narnia 2008 zu Ruhm gelangt) schön sein und leiden darf, und der längst arrivierte Colin Firth den zwielichtigen Mentor Lord Hutton, der Dorian Gray zum Hedonismus (ver)führt, gibt. (Otto Friedrich)

Das Bildnis des Dorian Gray (Dorian Gray)

GB 2009. Regie: Oliver Parker. Mit Ben Barnes, Colin Firth, Rebecca Hall.

Verleih: Filmladen. 118.Min.

Wenn Pina kommt

Wo Wuppertal ist, muss fast obligatorisch auch dessen Hochbahn auftauchen. Selbst die Dokumentation „Tanzträume“ kann es sich nicht verkneifen, sie einmal beiläufig ins Bild zu nehmen – im Gegensatz zum anderen Inbegriff der Stadt, deren Anwesenheit genüsslich hinausgezögert wird. Als es schließlich ‚Pina kommt heute …‘ heißt, herrscht beim Ensemble von „Kontakthof“ gesteigerte Panik: Pina Bausch, bedeutendste Choreografin der Gegenwart, will mit den Jugendlichen zwischen 14 und 17 an ihrem berühmtesten Stück feilen. Anne Linsels und Rainer Hoffmanns unspektakulärer Film, der zwischen den Vorbereitungen und Interviews pendelt, schafft einen bemerkenswert offenen Zugang zum modernen Tanztheater – und wurde durch den Tod Bauschs im Sommer 2009 mit zum Testament deren Arbeit. Diese Aufgabe löst „Tanzträume“ pragmatisch: Indem er sich an die Wirkungskraft hält, die Begeisterung und die Auseinandersetzung mit sich selbst in den jungen Laienperformern erzeugt – und in den Profis auf der anderen Seite des Raumes, die mitreißen und mitgerissen werden. (Thomas Taborsky)

Tanzträume

D 2009. Von Anne Linsel und Rainer Hoffmann. Verleih: Polyfilm. 89 Min.

Ein Kleinod des Independent-Films

Kaum eine andere Stadt ist als Film-Kulisse besser geeignet um einen Blick auf zwischenmenschliche Beziehungen zu werfen, als die pulsierende Metropole des Big Apple. Im Fall des Independent-Kleinods „Ein Sommer in New York“ folgt die geografische Festlegung allerdings schlicht der inszenatorischen Logik. Regisseur Tom McCarthy erzählt vor dem Hintergrund von 9/11 die Geschichte von vier Menschen, die mit den Auswirkungen des amerikanischen Terror-Traumas konfrontiert werden: ein illegales Einwanderer-Pärchen, das ins Visier der Einwanderungsbehörden gerät; eine verwitwete Mutter, die verzweifelt gegen die Abschiebung ihres Sohnes kämpft und ein gelangweilter Uni-Professor, der durch seine Freundschaft zu den beiden Immigranten einen zweiten Frühling erlebt, bevor ihm die Realität den Boden unter den Füßen wegzieht.

Anders als die meisten Filme, die sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen nach der 9/11-Ära auseinandersetzen, beleuchtet „Ein Sommer in New York“ stellvertretend für unzählige Einwandererschicksale deren „American Dream“ – mixt Systemkritik mit unterhaltsamen Elementen und rhythmischen Klängen. Letzteres gilt nicht nur für den von Richard Jenkins brillant verkörperten Professor, der mit seinen Trommelspiel-Ambitionen seine inneren Lebensgeister wach schlägt, sondern auch für McCarthys Filmsprache, die inhaltlich und formal die richtige Tonlage trifft. (Jürgen Belko)

Ein Sommer in New York (The Visitor)

USA 2007. Regie: Tom McCarthy. Mit Richard Jenkins, Hiam Abbass, Haaz Sleimann. Verleih: Polyfilm. 104 Min.

Erstes und letztes Werk

„Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?“ Allein der Filmtitel ist – ja, was eigentlich? Poetisch? Ausgefuchst? Jedenfalls handelt es sich hierbei um Gerhard Benedikt Friedls (1967–2009) Abschlussarbeit an der Filmhochschule von München. Otto Wolff Freiherr Taets von Amerongen (1918–2007) war einer der einflussreichsten deutschen Unternehmer nach 1945 – er wurde auch als „heimlicher Osthandelsminister“ bezeichnet. 2004 fertigte der aus Bad Aussee stammende Friedl diesen Film, zwar hielt er sich wohl auch aus rechtlichen Gründen, tatsächlich vielmehr aus programmatischen Überlegungen an eine essayistische Form: die Beantwortung der filmischen Frage wurde folgerichtig sistiert.

Auf der Tonspur ein lakonischer Vortrag von den labyrinthischen Genealogien und verbrecherischen Verstrickungen deutscher Wirtschaftsdynastien im 20. Jahrhundert, schwenkt Friedl in unspektakulären Bildern durch Städte, Landschaften, Fabriken, Flughäfen und Chefetagen: Die sogenannte „Ton-Bild-Schere“ ist heftig zugange. Friedls Experiment – gleichzeitig sein erstes und letztes großes Werk – wirft die Frage auf: Von welchem Standpunkt lässt sich heute ein Wissen über die Macht formulieren? (Rudolf Preyer)

Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?

D/Ö 2005. Regie: Gerhard Benedikt Friedl.

Verleih: Stadtkino. 73 Min.

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