7094365-1994_40_22.jpg
Digital In Arbeit

Faschist und Ehrenbürger Israels

19451960198020002020

Das Porträt der Kehrseite einer Epoche und ihrer oft recht mutlosen Machthaber, mit einer erstaunlichen, sozusagen „banalen“ Titelfigur, die sich nicht konformistisch verhalten hatte.

19451960198020002020

Das Porträt der Kehrseite einer Epoche und ihrer oft recht mutlosen Machthaber, mit einer erstaunlichen, sozusagen „banalen“ Titelfigur, die sich nicht konformistisch verhalten hatte.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Buchtitel ist eine pointierte Umkehrung des berühmten Zitats aus dem Bericht über den Prozeß in Jerusalem gegen Adolf Eichmann, von der deutschen Philosophin Hannah Arendt in Amerika veröffentlicht: „Die Banalität des Bösen“ war das Fazit ihrer persönlichen Beobachtungen während des Gerichtsverfahrens gegen diesen Techniker einer Massenvemichtung.

Der Italiener und kaufmännische Angestellte Giorgio Perlasco (1910- 1992) war zunächst Anhänger Mussolinis, kämpfte als Freiwilliger für Franco im spanischen Bürgerkrieg (erlernte dabei die Landessprache) und geriet später durch Zufall, noch immer kaufmännisch bedienstet, nach Budapest, als dort im Kriege unter dem Druck des NS-Regimes die Massendeportation der Juden einsetzte. Nachdem Italien das Bündnis mit Deutschland aufgekündigt hatte, war Perlasca unter den festgenommenen Italienern, es gelang ihm, in die (neutrale) spanische Botschaft zu flüchten, und damit begann eine erstaunliche Laufbahn: „Die Geschichte des Hochstaplers Giorgio Perlasca, der 5.200 Juden das Leben rettete“ (so der Untertitel).

Am 30. November 1944 hatte der spanische Botschafter San Briz Ungarn verlassen und war über die Schweiz nach Spanien zurückgekehrt. Perlasca änderte seinen Vornamen in Jorge und ließ sich am 1. Dezember als spanischer Geschäftsträger akkreditieren, ohne Spanier, geschweige denn Diplomat zu sein, und begann seine Karriere als Judenretter mittels sogenannter „Schutzbriefe“. Diese waghalsige Tätigkeit aus eigenem Entschluß setzte er bis zum Einmarsch der Russen am 16. Jänner 1945 fort: ein 47tägiges Bravourstück der Nächstenliebe.

Als Perlasca nach dem Kriege seine Tagebuchaufzeichnungen vorlegte, glaubte ihm niemand die heldenhafte Hochstapelei. Erst 1988 begann man sich an ihn zu erinnern, durch den Zufall einer Zeitungsnotiz, Zeugen meldeten sich, die dank seiner Hilfe überlebt hatten, und es begann für seine letzten drei Lebensjahre der steile Weg zu Berühmtheit und vielen Ehrungen.

Das Nachspiel ist ebenso lehrreich wie dieser Lebensbericht, der ergänzt wird durch die gesamteuropäischen Kulissen der historischen Tragödie, die stellenweise zur Tragikomödie ausartete: Dieses human Beispielhafte als spontane Leistung ist es, was das (keineswegs meisterlich geschriebene) Werk höchst lesenswert macht.

HDIE BANALITÄT DES GUTEN

Von Enrico Deaglio.

Eichhorn Verlag, Frankfurtl Main 1994.

209 Seiten, ö S 194, -.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung