Werbung
Werbung
Werbung

Mit Tschaikowskys "Eugen Onegin" wurde die Saison am Tiroler Landestheater eröffnet.

Ablenkungsdramaturgien sind Brigitte Fassbaenders Sache nicht, auch Bühnen- und Kostümbildner Erwin Bode hat bisher in Innsbruck mit sachlichen Bildern, die Menschen Raum geben, gearbeitet. So fokussiert Regisseurin Fassbaender Tschaikowskys "Lyrische Szenen" auf die emotionale Emanzipation einer jungen Frau, auf versäumtes Leben, die Unmöglichkeit, ins Schicksal einzugreifen, und auf die Sinnlosigkeit von Kampf und Tod. In der Vergrößerung dieser Privatheit geht es freilich auch um den Wandel der Zeit und den Tanz einer restfeudalen Gesellschaft über der Oktoberrevolution.

Durch seine offene, in der Musik thematisch übergreifende Dramaturgie, seine Montagetechnik, die Zeitsprünge und den psychologischen Grundtenor erweist sich "Eugen Onegin" als modernes Stück, das Brigitte Fassbaender an den Beginn des 20. Jahrhunderts, also um hundert Jahre nach vorn rückt. In der Holztenne der Larina erinnert sich das Gesinde noch an die Leibeigenschaft, die Töchter versinken in Langeweile, aus der sie auch die provinziellen Hausbälle nicht befreien. Aber die Gutsherrin erschrickt schon ein wenig vor ihren Knechten und befreit sich befremdet von Hammer und Sichel auf ihrem Tisch. Bald werden die Symbole die erste sowjetische Flagge zieren. Und Tatjana, die schwärmerische Träumerin, die sich liebestrunken dem haltlosen Onegin erklärt, wird als Gattin des kriegsversehrten Fürsten Gremin durch Räume schreiten, deren Architektur den Willen der neuen Machthaber spiegelt. In diesen Sälen versinkt Onegin nach einer Umarmung voller Erinnerungen vor ihr in den Boden, wie sie einst nach seiner Zurückweisung vor Scham versunken ist. Ende eines Traums, Ende eines Traumas.

Zu den Klängen der Polonaise auf Gremins Fest lässt Fassbaender filmisch unter Lenins Antlitz die Revolution vorüberziehen, eine schreckliche rhythmische Übereinstimmung. Die Polonaise wird zum harten Totentanz, auch die Walzer auf Larinas Fest sollen sich nicht zu elegant wiegen, aber insgesamt hätte der "Onegin" doch ein gesättigteres Überspannen der sensiblen Klanggestalten durch Dirigent Olaf Henzold und das Tiroler Symphonieorchester vertragen. Sehr verlässlich der Chor. Fassbaender-Schülerin Juliane Banse singt in dieser russischsprachigen Produktion ihre erste Tatjana, zart und stark, ohne Pathos, seelenvoll und leuchtend. Ihr zur Seite die charaktervollen Mezzosoprane von Anne Schuldt (Olga) und Anne Pellekoorne, Christina Kubelkas dezent herzliche Amme und Michael Dries als von Dank und Liebe erfüllter Gremin. Janis Apeinis, gestalterisch noch scheu, lässt als Onegin einen farbintensiven, auffallend reichen Bariton hören. Wie immer werden auch die kleinen Partien ernst genommen. Defizitär war bei der Premiere lediglich Claude Pias Lenski.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung