K.u.k. Höhenflüge und Abstürze

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Spät, aber doch verlegt: Der literarische Parforceritt des Adalbert Grafen von Sternberg.

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Spät, aber doch verlegt: Der literarische Parforceritt des Adalbert Grafen von Sternberg.

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Als Fünfziger läßt sich der Herr aus böhmischem Uradel, Reserveoffizier bei den Landwehrulanen, zum Fliegerbeobachter ausbilden und steigt zu Einsätzen über den Fronten des Ersten Weltkriegs auf. Höhenflüge und Abstürze hat er schon viele erlebt, dieser Adalbert Graf Sternberg, der, wie Peter Altenberg, Carl Leopold Hollitzer und sein Standesgenosse Sascha Graf Kolowrat, zur Species der realen Fabelwesen im kakanischen Kosmos zählt.

Eine Rabelais-Gestalt voll innerer Sprünge, vital und zugleich suizidgefährdet, beim Mulatsag in seinem Element, Vabanque-Spieler und Duellant, aristokratischer Grobian, Pamphletist und berüchtigte parlamentarische Schimpfkanone schwersten Kalibers, Kassandrarufer im Spannungsfeld zwischen Kaiser und Thronfolger. Progressiv in der schwarzgelben Ära und feudal, als die Kronen entwertet sind. Nehmt alles nur in allem: eine stets mit Aplomb auftretende anachronistische Erscheinung, deren Lebensgesetz lautet: Parforce.

1930 stirbt der Graf, 62 Jahre alt, die Leber hat's nicht mehr ausgehalten. Seine Schriften zu einst aktuellen Fragen, etwa der Bericht über seine Erlebnisse als Beobachter des Burenkrieges, sind griffbereiter Bestand, von den Historikern gern herangezogen. Mit Aussprüchen lebt er im altösterreichischen Anekdotenschatz weiter. Unveröffentlicht blieben bisher seine autobiographischen Aufzeichnungen. Diesen in Güssing aufbewahrten Nachlaß hob Hans Rochelt und erwies dem Zeitzeugen durch Auswahl der Texte, verbindende Kommentare und Anreicherung mit Zitaten die guten Dienste des kundigen Herausgebers.

Sternbergs eigene, zusammenhängende Darstellung der Abläufe reicht nur bis 1900. Dies bedingte, um ein geschlossenes Lebensbild zu vermitteln, Ergänzungen aus anderen Quellen: spätere publizistische und aphoristische Äußerungen, Sitzungsprotokolle des Reichsrats, Passagen aus den Kriegstagebüchern (ohne Konkretes über Fliegertaten), Pressestimmen.

In den ersten Abschnitten dominieren, wie bei Rückblicken von Adeligen so häufig und naheliegend, Familiengeschichte und Privates, schriftliche Fixierung von Vorgängen als persönliche Erinnerungsstütze. Der Leser lernt Sternberg als jungen Herrn des fin de siecle kennen, der für Amouren und Passionen unbedenklich aus dem Vollen schöpft - auch wenn es gar nicht so voll war. Da zeigt er sich, literarisch, als Kreuzung zwischen dem Lerchenauer und Anatol.

Doch dann wird aus dem fulltime-Lebemann ein ebenso ungebärdiger Politiker, der Champion im Hinwurf des rhetorischen Fehdehandschuhs. Der "konservative Rebell" attackiert die Kräfte, deren Handlungen und Versäumnisse die Monarchie gefährden. Seine Anschauungen führen ihn in den Kreis um Franz Ferdinand. Auch der Graf kennt nur ein Ziel: Die Erneuerung Österreichs ohne Verlust zeitloser Werte. Sein parlamentarisches Wirken bleibt Fragment: "Meine Karriere ist in Sarajewo erschossen worden."

Ein Buch für Austriaca-Leser, von Freunden "belletristischer Gesellschaftsszenen" bis zu den Lesern gehaltvoller historischer Essays.

ADALBERT GRAF STERNBERG Aus den Memoiren eines konservativen Rebellen Herausgeber: Hans Rochelt Löcker Verlag, Wien 1977 190 Seiten, geb., öS 398,

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