Olympiade der liebenden Aufopferung

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Alessandro De Marchi, Nachfolger von René Jacobs bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, eröffnete seine Intendanz mit Giovanni Battista Pergolesis Oper „L’Olimpiade“. Er zeichnete das Stück in feinen Valeurs, führte jedoch die Sensibilität phasenweise in die Einförmigkeit. Die Innsbrucker Aufführung wird am 24. Februar 2011 in Wien gezeigt.

Alessandro De Marchi, Nachfolger von René Jacobs bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, eröffnete im Tiroler Landestheater seine Intendanz mit Giovanni Battista Pergolesis Oper „L’Olimpiade“. Die Innsbrucker Produktion wird am 24. Februar 2011 im Theater an der Wien gezeigt werden.

Während René Jacobs nach barockem Vorbild und eigener Klangfantasie die Partituren teils genialisch, teils umstritten ergänzt, färbt und anreichert, bleibt De Marchi ganz bei Pergolesi. Dieser schreibt streicherlastig, hatte bei der „Olimpiade“-Uraufführung 1735 in Rom allerdings auch zwei Hörner und Trompeten zur Verfügung. Das bedeutete einen insgesamt reichen Bläsersatz, den der junge Komponist – Pergolesi starb 1736, 26 Jahre alt – aber nicht demonstrativ vorführt, sondern dem emotionalen Ausdruck dienstbar macht. Mit einem Fernorchester erzielt er Echowirkungen.

Pergolesi war eine eminente lyrische Begabung, dessen hochsensible und stets anlassbezogene tiefgreifende Melodik über dem weich fließenden Orchestersatz, dessen innere Belebung der Form und Zurückdrängung lediglich vordergründiger Effekte bereits den empfindsamen Stil und Christoph Willibald Glucks Opernreformideen vorbereiteten.

De Marchi und seine Academia Montis Regalis haben „L’Olimpiade“ in feinen Valeurs gezeichnet, aber phasenweise von der Sensibilität in die Einförmigkeit geführt. Die Sänger agierten in emotionaler Hochspannung: Megacle hat den Kampf bei den Olympischen Spielen gewonnen, stürzt aber in Verzweiflung, weil er im Namen seines Freundes Licida siegte, um ihm die als Preis ausgeschriebene Prinzessin zu erringen. Zu spät erfährt Megacle, der in Licidas Schuld steht, dass es um seine Geliebte Aristea geht. Es kommt zu zahlreichen Verwirrungen, die nach fünf Stunden in das obligate Happy End münden.

Bis dahin zieht Pergolesi durch De Marchis Hand alle melodischen Register vom dramatischen Pathos bis zur Grazie frischer Unbekümmertheit, von Schwermut und dunkler Trauer bis spielerischer Heiterkeit. Megacles verzweifelter Abschied von seiner Geliebten Aristea wird über die Arie hinaus zu einem die Opera seria sprengenden naturalistischen Schmerzensausbruch, zu einer durchkomponierten Szene, die beispielhaft geworden ist.

Freundschaft oder Liebe ist die zentrale Frage dieser Oper, ein Männerkonflikt, den die Frauen nicht nachvollziehen können. Es wurde Mitternacht, bis im Tiroler Landestheater die Fäden entwirrt und die Paare beglückt waren. Megacle bekommt Aristea (grandios Olga Pasichnyk und klangselig Raffella Milanesi), Licida wendet sich wieder Argene zu (charaktervoll Jennifer Rivera, herrlich abgerundet Ann-Beth Solvang) dazu kommen Jeffrey Francis als Herrscher Clistene, Martin Oro als Alcandro und Markus Brutscher als Aminta.

Auflösung zur Natürlichkeit hin

Bühnen- und Kostümbildner Alfred Peter begibt sich mit der barocken Scheinarchitektur eines Schloss-Innenhofes, die er zum illusionslosen Außengerüst der Hinterwand dreht, mit barocken Kostümen und Perücken in Pergolesis Zeit. Regisseur Alexander Schulin führt das Ensemble in diesem Ambiente unaufgeregt, aber sinnvoll und mit Fantasie, es gelingt ihm, ruhig und doch kurzweilig zu bleiben, die Sänger ihre langen Arien und oft ausgedehnten Seccorezitative störungsfrei singen zu lassen und dennoch Rampentheater zu vermeiden. Der bewusst barocke Bewegungskanon des Anfangs löst sich bei den Liebenden allmählich zur Natürlichkeit hin auf, fast unbemerkt schleicht sich Ironie in diese Tragikomödie, bis sie ihr Fest feiert im absurden Finale, wenn Reifrock, Culotte und Perücken gefallen sind und der olympische Wettstreit der gegenseitigen Aufopferung gilt.

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