Resilizenz - Neues Denken!

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Sie verlassen eingetretene Pfade, denken mit anderen über neue Wege nach: DIE FURCHE hörte Fred Luks und Harald Katzmair zu und fragte nach.

Die Fragen spannen einen weiten Bogen: Was tun, wenn den Einzelnen die Lebensumstände überfordern? Wenn das politische System keine ausreichenden Antworten mehr findet auf ökonomische Krisen, auf demografische Herausforderungen, auf soziale und gesellschaftliche Spannungen? Wenn also die gängigen Modelle der Analyse und der Strategien nicht mehr korrespondieren mit der Problemlage von Staat und Gesellschaft?

Diese Fragen sind es, welche - neben anderen Wissenschaftern auch - die beiden Intellektuellen Fred Luks und Harald Katzmair umtreiben.

Der Ökonom und Nachhaltigkeitsmanager Luks (r.) sowie der Systemtheoretiker Katzmair befassen sich mit neuen Ansätzen ebenso wie mit der Wiederentdeckung bereits bewährter. Sie tun das in ihren beruflichen Aufgaben und in ihren privaten Kolloquien. Mit diesen pflegen sie zugleich ihre Freundschaft und ihre Geistesverwandtschaft. Bei einem Gespräch dieser Art war DIE FURCHE zu Gast, um einen Blick auf die Landkarte ihre Gedankengänge zu werfen. Wie sich zeigte, sind Antworten auf die skizzieren Fragen längst angedacht.

Muße und Zeit gegen die Ökonomisierung

Die Kurzfassung: Muster brechen, Tempo rausnehmen, neu denken! Das sind die ersten Schritte.

Es gehe um Muße, meint Luks. Die müsse wiederum ihren gebührenden Platz im Leben, ja im Alltag erhalten. Das Buch Muße von Ulrich Schnabel sei in Deutschland bereits ein Topseller, so Luks. Darin werde, nicht zuletzt anhand der Erkenntnisse der Hirnforschung gezeigt, was zu tun sei, nämlich in der richtigen Art und Weise nachzudenken. Das bedeute, nicht ständig beschäftigt, gar übermäßig geistig beschäftigt zu sein. Das müsse man zulassen. Offensichtliches Nichtstun sei anregend, sei fruchtbar, wie Luks, Schnabel zitierend, unter Verweis auf - neben anderen - Isaak Newton oder John Lennon meint. Das Hirn, so schreibe Schnabel mit Verweis auf den Hirnforscher Wolf Singer, "könne sich wunderbar mit sich selbst unterhalten“. Man müsse nur den Mut haben, alltägliche Muster zu brechen und dies zuzulassen. Genau, sagt Katzmair. Bereits für Aristoteles hätten Wissen und Wissenschaft damit begonnen, Zeit zu haben, sich Zeit zu nehmen. Noch nicht investierte Zeit zu verwenden für etwas, von dem man noch nicht wisse, wofür genau es gebraucht werden könnte. Es sei dieses "interessenlose Wohlgefallen“ an einer Sache, von der Immanuel Kant sprach. Sich ohne Hintergedanken zu unterhalten. Ohne ständig die Abwägung zu treffen, ob das jetzt nützlich sei, ob es jemandem gefallen werde. Man möge doch die Leidenschaft für eine Sache, etwa als Hobby pflegen, und nicht sämtliche Tätigkeiten unter den Leitgedanken, ja den Zwang der Vermarktung und der Ökonomisierung stellen. Wir stehen, meint Katzmair, mitten "in diesem Krieg um Aufmerksamkeit“ und seien dann überrascht, wenn "die Leute Burn-outs haben und wegbrechen“.

Aber Anspannung sei doch erforderlich für Leistung, ließe sich einwenden? Und nur, wenn sie kontinuierlich erbracht werde, gebe es Stabilität, oder? Und genau diese sei doch für Staat und Wirtschaft erforderlich, vom Einzelnen wohl auch gewünscht.

Den Einwand lassen Luks und Katzmaier nicht gelten, bei allem aus der jüngsten Geschichte heraus erklärbaren Verständnis für politische und wirtschaftliche Stabilität. Ihr grundlegende Analyse bleibt: "Wir denken verkehrt“, sagt Luks, milde schmunzelnd. "Wir denken stets an schneller und an mehr. Unser Denken ist auf Wachstum programmiert.“ Das sei falsch. Es gehe nicht nur um die Kritik an der Vorstellung von Linearität und der Herstellung steter Beschleunigung. Dem müsse etwas entgegengesetzt werden, sagen Luks und Katzmaier. Und sei zu wenig, diesem ein Denken in Zyklen und die Parole von der Entschleunigung entgegenzusetzen. Der Schlüsselbegriff lautet: Resilienz!

Die Wende zu einer resilienten Strategie

In den USA, konkret etwa im Sprachgebrauch der New York Times, sei dieser Begriff bereits Bestandteil der Alltagssprache, berichtet Katzmair, eben aus dem USA zurückgekehrt. Resilienz stehe für die Fähigkeit, mit Störungen umzugehen, diese zu bewältigen. Gesprächsweise heiße es dann gelegentlich, "I admire You for your resilience“, berichtet Katzmair. Als für die Zähigkeit, zu bestehen, für das Bewusstsein, in schwierigen Situationen zu reagieren und zu lernen. Das spiele ja im Diskurs zur Nachhaltigkeit eine zunehmende Rolle, wirft Luks ein. Genau, sagt Katzmair. Denn der vorherrschende Ansatz, die Substanz zu schonen und lediglich deren Früchte zu nutzen, sei "problematisch“, denn das Leben sei anders: Dieses kenne Wachstum, dafür benötige jedes System Zufuhr, und es kenne Abschwungphasen. Wesentlich sei, zwischen Wachstum und Entwicklung zu unterscheiden. Wichtig für die Systeme sei Folgendes: Sie seien umso resilienter, über je mehr Alternativen sie verfügen, also einen Plan B hätten. Einfach mehr Optionen, wie Luks sagt. Indem sie also die Problematik der Komplexität dadurch entschärfen, dass sie nicht jedes Problem durch dasselbe Modell zu lösen versuchen.

Das sei, so Katzmair, "die entscheidende Wende“ zu einer "resilienten Politikstrategie“: "Dass wir beginnen, in allen entscheidenden Politikbereichen Alternativen zu produzieren.“ Was das im Klartext bedeutet? Der Staat möge nicht alles vereinheitlichen, nicht alles standardisieren. Vielmehr solle der Staat "vom Homogenisierer zum Pluralisierer“ werden. Also für die jeweilige Aufgabe - von der Bildung bis zum Sozialen - die sachlich-thematisch entsprechende Lösungsart ermöglichen: eine staatliche, eine private oder eine kommunitaristische. Ständige Debatten wie jene um die Frage, mehr Markt oder mehr Staat, seien sinnlos und unproduktiv.

Warum werde das Wissen um diese Umstände nicht im öffentlichen Gespräch, in Medien erkennbar? Weil zu viel an Ökonomisierung vorherrsche, zu wenig an Pluratität gegeben sei, sagt Luks. Weswegen neues Denken ja erforderlich sei.

Endlich im Endlichen

Von Fred Luks,

metropolis, Marburg 2010, 268 Seiten, e 18,00

Die Formel der Macht

Von Harald Katzmair und Harald Mahrer

Ecowin, April 2011, 176 S, geb., e 21,90

Wachstum & Normalität auf dem Prüfstand

Kann es stetes Wachstum geben? Ist der Begriff vom Wachstum ein tauglicher? Vor mehr als einem Jahr startete das Lebensministerium (das frühere Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft) die Initiative "Wachstum im Wandel“ ( www.wachstumimwandel.at). Auch Neuerscheinungen befassen sich kritisch mit dem Begriff, so "Wachstum als Illusion?“ von Hans Diefenbacher und Roland Zieschak (die neue Ausgabe ist soeben im oekom Verlag München erschienen). Noch ein Buchhinweis: "Das Ende der Normalität“ von Gabor Steingart (gerade erschienen im Piper Verlag). Laut Untertitel "ein Nachruf auf unser Leben, wie es bisher war“. Und auf die Selbstbeschleunigung. (c. r.)

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