"Tischlein deck dich!"

Werbung
Werbung
Werbung

Renovierung in Schönbrunn zeigt Alltag am Habsburger Hof.

Seit dem Ende der Monarchie lagen Bergl-, Weißgold-, Rokokozimmer und andere Erdgeschoß-Räume im Westtrakt von Schloss Schönbrunn im Dornröschenschlaf. Ab Juni sollen wieder Kinder und Familien durch die frisch renovierten Zimmerfluchten toben, um dort zu erleben, was Kaiserin Maria Theresia hier praktizierte: Alltag am Habsburgerhof. Illusionsarchitektur erlebte im Barock eine Hochblüte. Die berühmte Ateliermalerei von Johann Bergl ließ die Grenzen zwischen dem kunstvoll angelegten Garten und dem Inneren verschmelzen: Paradiesmalerei voller Granatäpfel, Pfaue, Moscheen, antiker Tempel, Fliegenpilze und anderer exotischer und heimischer Attraktionen aus Botanik und Architektur schaffen einen künstlichen Garten Eden. Maria Theresia pflegte hier bei geöffneten Türen zu flanieren und zu speisen, am stillen Örtchen nahm sie ihr Frühstück ein.

3,7 Millionen Euro hat die Schloß Schönbrunn Kultur-und Betriebsges. m.b.H. investiert, um die zwölf kaiserlichen Zimmerfluchten wachzuküssen. "Seit dem Ende der Habsburger Monarchie hatten die Gisela-Appartements keine wirkliche Verwendung mehr. Nach dem zweiten Weltkrieg machten die Räume eine schlimme Zeit durch. Sie wurden damals von englischen Soldaten benutzt, wir haben sie in stark devastiertem Zustand vorgefunden. Teilweise waren keine Fußböden mehr drinnen", schildert Dr. Eva-Maria Höhle, Landeskonservatorin für Wien im Bundesdenkmalamt, die triste Ausgangslage der Restaurierungsarbeiten. Der Schriftzug "Fire point" bleibt als Relikt der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die englische Besatzungsmacht hier ihre Telefonzentrale installiert hatte, inmitten barocker Illusionsmalerei erhalten. "Wir wollen die Vielschichtigkeit der Geschichte zeigen. Man soll spüren, was hier alles passiert ist", so Höhle.

Ein raffiniertes Arrangement von Spiegeln und Beleuchtung lässt in barock-illusorischer Manier direkt in die Vergangenheit eintauchen. Alltagskultur steht im Mittelpunkt: nach dem Ertasten der Baumaterialien des Schlosses birgt die Körperpflege des 18. Jhds. Erlebnispotential. Perücken frisieren, mit der Lupe Läuse suchen, Rasieren mit Bimsstein, Spannen von Schnurrbärten oder das Ansetzen von Blutegel-Imitaten auf einen vorgezeichneten Körper klingen vielversprechend. Mädchen können sich mit Reifröcken und Hüftpolstern stilecht in Schale werfen und dann in Fächersprache ihre Ausstrahlung auf Kavaliere testen. Heutige Führungskinder können Maria Theresia und Franz Stephan bei einer Ordensverleihung zusehen und so die Distanz des adeligen Nachwuchses zu den leiblichen Eltern nachspüren. Historisches Spielzeug und ein Tagesplan vermitteln das strenge Reglement, unter dem Kronprinz Rudolf zu leiden hatte. Der Sammeltradition der Monarchen sind die Bergl-Zimmer gewidmet, deren Illustrationen die neuesten Pflanzen- und Tierentdeckungen damaliger Expeditionsfahrten zeigen. Ihre Restaurierung ist besonders gelungen: der Unterschied zwischen der bemalten textilen Bespannung der Wand und der Fresko-Malerei an der Decke ist kaum zu sehen.

Unübertroffen bleibt der Trick, mit dem Maria Theresia besondere Gäste verblüffte. "Tischlein deck dich!" ließ eine festlich gedeckte Tafel gleichsam aus dem Nichts in ihrem Privatgemach auftauchen. Die Restaurierung hat Licht ins Dunkel gebracht: im Erdgeschoß unter dem Zimmer der Kaiserin ließ sich ein ausgeklügelter Hebemechanismus für die Tafel unterbringen. Das Oval darüber entpuppte sich als kaschiertes Holzmedaillon, durch das "Tischlein deck dich!" auftauchte. Wesentlichen Anteil am Zauber hatten die Diener, die im Erdgeschoß die Tafel deckten. Das wird man in Schönbrunn stilecht lernen können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung