Warten auf das Urteil im Cap-Anamur-Prozess

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Vier Jahre Haft und eine Strafe von jeweils 400.000 Euro fordert die italienische Staatsanwaltschaft für die Angeklagten Elias Bierdel und Stefan Schmidt. Die beiden Deutschen sind angeklagt, weil sie im Sommer vor fünf Jahren 37 Afrikaner aus Seenot gerettet und diese nach dreiwöchigem Tauziehen mit den italienischen Behörden in Sizilien an Land gebracht haben. Bierdel war der Leiter des Hilfskomitees "Cap Anamur" und damit Verantwortlicher für die Aktionen des im Mittelmeer kreuzenden Schiffes, Stefan Schmidt war der Kapitän.

Im November 2006 hat im sizilianischen Agrigento der Prozess gegen Bierdel und Schmidt begonnen. Die FURCHE berichtet seither über den Fall (zuletzt Nr. 15, 9. April 2009). Für den 21. Juli wird nun ein Urteil erwartet.

In ihrem Schlussplädoyer hat sich die Staatsanwaltschaft nicht mehr auf den ursprünglichen Anklagepunkt "Beihilfe zur illegalen Einreise im besonders schwerem Fall" bezogen. Der Prozessverlauf hat die Unhaltbarkeit dieses Vorwurfs bewiesen.

Flüchtlingsnot als Werbegag?

Bierdel und Schmidt wird jetzt vorgeworfen, sie hätten die Flüchtlinge zu Werbezwecken für das Komitee Cap Anamur so lange an Bord gelassen. Für Bierdel eine abstruse Unterstellung, wie er in seiner Erklärung vor Gericht deutlich machte: Der "Medienskandal" ist erst entstanden, rechtfertigt sich Bierdel, nachdem man die Cap Anamur auf offener See blockiert hat. Bierdel habe jedenfalls keine Journalisten eingeladen, an Bord zu kommen. Hätte er es aber nicht zugelassen, dass sich die Presse ein Bild vor Ort macht, wäre hinterher womöglich der Vorwurf laut geworden, das Komitee wolle etwas verbergen. Außerdem waren die Medien zum Zeitpunkt der Blockade die einzige Kommunikationsmöglichkeit nach außen, da sich die Behörden nicht meldeten.

Bierdel stellt auch klar, dass man niemals den italienischen Staat provozieren wollte und es keinen politischen Auftrag für die Arbeit des Schiffes gegeben hat. Was es aber gegeben hat, war eine extreme Notsituation. Die dramatischen Stunden auf der Cap Anamur während der Blockade waren eine schreckliche Erfahrung für alle an Bord. Für Bierdel ist es deswegen unerträglich, von der Staatsanwaltschaft zu hören, es habe keinen Notfall gegeben. Was waren dann die Selbstmordversuche der Flüchtlinge? Der Kapitän musste den Notfall ausrufen und in den Hafen Porto Empedocle einfahren. Bierdel hofft jetzt, dass das Gericht mit dem Urteil die Ehre und Würde der Angeklagten wiederherstellt.

Die Hoffnungen auf die Politik, weitere "Cap-Anamur"-Fälle zu verhindern, wurden bisher enttäuscht. Regelmäßig wird Flüchtlingsbooten die Einfahrt in Häfen verweigert, müssen Boote mit Dutzenden Flüchtlingen tagelang in den Gewässern zwischen Malta und Lampedusa auf Hilfe warten. Auf Antrag Athens und Roms wird das Thema nun auch den dieswöchigen EU-Gipfel beschäftigen.

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