Was Tyrannen in die Knie zwingt

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Wenigstens bis 2011 stehen die Salzburger Pfingstfestspiele im Zeichen der neapolitanischen Schule. Dabei gilt es nicht nur Manuskripte, die in neapolitanischen Bibliotheken und Klöstern schlummern, aus ihrem Dornröschenschlaf zu erwecken, sondern auch die gegenseitige Befruchtung der einstigen Musikwelthauptstädte Wien und Neapel als Beispiel frühen europäischen Miteinanders zu dokumentieren. Nächste Pfingsten mit "Betulia liberata"-Vertonungen von Mozart und Jommelli.

Der nahe Neapel geborene Komponist kam schon dieses Pfingstfestival ausführlich zu Wort: mit seiner mit dem Ravenna Festival und Gerard Mortiers Opéra National de Paris koproduzierten Oper "Demofoonte". Genauer, mit seiner 1770 für Neapel komponierten Version. Schließlich hat er zu diesem Libretto von Pietro Metastasio nicht weniger als vier Fassungen vorgelegt. Die übrigen drei für Padua, Mailand und Stuttgart. Ein Menschenopfer, das der Thrakerkönig Demofoonte Apoll darbringen soll, steht im Mittelpunkt des sich um Macht, Uneinsichtigkeit, Strenge, Gehorsam, Liebe, Eifersucht und Rache drehenden Stoffs, den 73 Komponisten vertonten. Der von Mozart hochgeschätzte Jommelli war einer der ersten, der sich mit der Psychologie der einzelnen Personen musikalisch auseinandersetzte.

Stimmige Bilder über viele Stunden

In der Regie von Cesare Lievi in der neoklassizistischen Bühnenarchitektur von Margherita Palli - ein auf den Kopf gestellter Palast, in dem sich das gesamte Geschehen sehr naturalistisch imaginieren lässt - war davon wenig zu merken. Weniger der Charakter der einzelnen Protagonisten erweckte sein Interesse. Vielmehr zielte er mit seiner Darstellung auf stimmige, nie die Proportionen der Harmonie aus den Augen verlierende Bilder, selbst in den dramatischen Augenblicken dieses beinahe vierstündigen Werks.

Betont subtil modellierte Riccardo Muti, spiritus rector dieses Salzburger Neapel-Schwerpunkts, am Pult seines vor allem mit jugendlichem Animo agierenden Orchestra Giovanile Luigi Cherubini diese sich im Laufe des Geschehens dramatischer gebärdende, mit zahlreichen Hinweisen auf folgende musikalische Entwicklungen gespickte Partitur. Auch als stimmiges Ensemble bewährten sich die jungen Stimmen, angeführt von Maria Grazia Schiavos koloratensicherer Dircea, Eleonora Burattos selbstbewusster Creusa, Dmitry Korchaks mit den geforderten kräftigen tenoralen Akzenten ausgestattetem Demofoonte und dem wendigen Countertenor Antonio Giovannini als Dirceas vermeintlichem Vater Matusio.

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