6721343-1965_14_01.jpg
Digital In Arbeit

Die Bombe im Horsaal

Werbung
Werbung
Werbung

In der vergangenen Woche wurde auf der Hochschule für Welthandel in Wien zweimal Bombenalarm gegeben. Die daraufhin sofort durchgeführten Untersuchungen ergaben, daß es sich in beiden Fällen um eine Mystifikation gehandelt hatte. Dabei befindet sich in der Hochschule für Welthandel in der Tat seit Jahren ein Zeitzünder. Ihn brauchte man freilich nicht im Keller suchen. Man mußte nur die Tür zu jenem Hörsaal öffnen, in dem Professor Taras Borodajkewycz gerade seine Vorlesung hielt.

In der vergangenen Woche aber überschritt der Professor mit dem slawischen Namen und dem teutonischen Herzen die an sich weitgespannten Grenzen der Duldsamkeit unserer Demokratie. In einer „Pressekonferenz“, die sich sehr bald als Kundgebung herausstellte, bekannte sich Professor Borodajkewycz nicht nur zu seiner illegalen nationalsozialistischen Tätigkeit vor 1938. Mehr noch: Es kam zu Szenen, die deutlich erwiesen, daß der alte Ungeist nicht zuletzt dank der erzieherischen Tätigkeit von Professor Borodajkewycz auf junge Gehirne überzuspringen droht. Seit diesem Tag ist der „Fall Borodajkewycz“ ein öffentliches Ärgernis geworden.

Die Affäre hat lange Wurzeln. Sie reichen zurück in die bewegten dreißiger Jahre. Genaugenommen ist der Fall Borodajkewycz und seine Bewältigung ein Stück österreichischer Zeit- und Geistesgeschichte.

Der in Baden aufgewachsene, aus einer ukrainischen Familie stammende junge Assistent von Universitätsprofessor Srbik Taras Borodajkewycz wäre prädestiniert gewesen, ein „Großösterreicher“ in des Wortes bester Bedeutung zu werden. Aber nein: Er mußte „überkompensieren“ und Großdeutscher werden. So gesellte er sich der in jenen Jahren nicht einflußlosen nationalen Richtung im österreichischen Katholizismus zu. Der Katholikentag 1933 sieht ihn noch als dessen Sekretär. Doch sehr bald zerreißt der katholische Farbstudent das Band der Loyalität zu seinen Bundesbrüdern. Schon 1934 stößt er zur illegalen NSDAP. Hier war er, wie er später selbst freimütig bekannte, hoch aktiv an der Unterminierung des um seine Unabhängigkeit schwer ringenden österreichischen Staates beteiligt. An den Dozenten im Braunhemd erinnern sich noch heute die Studenten des Jahres 1938. 1945 ist auch für Taras Borodajkewycz ein Jahr Null, nachdem er sich bereits 1943 organisatorisch von der NSDAP gelöst haben soll. Wurde ihm dieses Jahr ein Jahr der Besinnung? Eine Zeitlang schien es so.

Doch der Schein trog. Auch schien es bald politisch nicht mehr unbedingt notwendig, an die Brust zu klopfen. Viel angenehmer und erfolgversprechender war es da schon, alte persönliche Verbindungen zu reaktivieren und sich dem oder jenen führenden Politiker, mit dem man einmal in der Jugend ein Stück Weges gemeinsam gegangen war, persönlich zur Verfügung zu stellen. Bald konnte man hören, daß für Borodajkewycz etwas getan werden müsse, „weil er sonst in schlechte Hände falle“. Wie diese schlechten Hände aussahen, davon hatte man eine Vorstellung, wenn man wußte, daß Borodajkewycz in den Jahren nach 1945 sein Brot durch archivardsche Arbeiten für die sowjetische Besatzungsmacht verdiente. So wurde der Weg allmählich zur Rückkehr ins österreichische akademische Leben frei.

Dankte Borodajkewycz die ihm zuteil gewordene Generosität durch Loyalität? Keineswegs. Bald zeigte sich, daß er einer von jenen war, die die Toleranz der Demokratie mit Schwäche zu verwechseln bereit sind. Und wo immer dem neuen Österreich, der Selbstbesinnung der Österreicher, mit anderen Worten, der politischen Nationwerdung unseres Volkes, ans Zeug geflickt wurde, war der Name Taras Borodajkewycz zu vernehmen.

Darüber hinaus aber verband er sich mit einer kleinen Gruppe von Akademikern, die kein anderes Ziel kennt als einen „Brückenschlag von Konservativen und Nationalen“. Von ihr führen auch Fäden in den süddeutschen Raum.

Widerstand dagegen, die österreichischen Katholiken auf eine neue „Papen-Linie“ zu bringen, wird aber heute im österreichischen Katholizismus auf breiter Front geleistet. Das zeigen die erfreulich klaren Stellungnahmen, angefangen vom Seniorenkonvent des CV über den Hauptverband der katholischen Elternvereine bis zu dem kraftvollen Auftreten von Katholiken, die ein Mandat der Volkspartei besitzen. Das christlich-demokratische Erbe, in der Tagespolitik mitunter überdeckt, lebt ungebrochen. Das zeigt sich in Stunden der Krise. Das ist eine der erfreulichsten Zwischenbilanzen des Falles Borodajkewycz. Unverständlich hingegen ist die Einstellung des Vorsitzenden des Hauptausschusses der österreichischen Hochschülerschaft auf der Hochschule für Welthandel und des Vorsitzenden des Zentralausschusses der ÖH. Beide gehören der Union österreichischer Akademiker an. Gerade die in der Union vereinigten christlichen Studenten- und Akademikerverbände zeichneten sich in den letzten zwei Jahrzehnten durch die profilierte österreichische Linie aus, der-zuliebe sie niemals Abstriche von dem Konzept ihrer Gründer machten. Und diesmal im geistigen Schlepptau des Ringes freiheitlicher Studenten? Nicht wenige, die einmal ein Mandat in der Hochschülerschaft ausgeübt haben, sind beunruhigt. Sie erwarten, daß der Senat der Union österreichischer Akademiker in die in Unordnung geratene geistige Front wieder Klarheit bringt.

Die Demonstranten gegen Professor Borodajkewycz sangen die Bundeshymne. Seine Anhänger antworteten mit dem Gaudeamus. Es ist dafür Sorge zu tragen, daß die Hymne des Staates und der Hymnus der jungen akademischen Generation von denselben Lippen mit derselben Uberzeugung gesungen werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung