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Der Fall des Taras

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EINER IM VORDERGRUND: TARAS BORODAJKEWYCZ. Eine Dokumentation, herausgegeben von Heinz Fischer, Europa-Verlag, Wien 1968, 307 Seiten, S 98.—.

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EINER IM VORDERGRUND: TARAS BORODAJKEWYCZ. Eine Dokumentation, herausgegeben von Heinz Fischer, Europa-Verlag, Wien 1968, 307 Seiten, S 98.—.

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Der Fall Borodajkewycz gehört (hoffentlich) bereits der Geschichte an. Es ist ein Teil der Vergangenheit, daß ein Mann an einer österreichischen Hochschule unterrichten durfte, an einer Hochschule der demokratischen Republik Österreich, dem die Gerichte dieser Republik bestätigten, daß sich in sedner Geisteshaltung „der Antisemitismus mit anderen Teilen der nationalsozialistischen Weltanschauung trifft.“ Der Fall des Taras B., für den österreichische Studenten auf die Straße zogen, um mit den Rufen „Hoch Auschwitz“ eine Straßenschlacht zu inszenieren, der ein Menschenleben zum Opfer fiel, ist reif für die Geschichtsschreiber. Es ist das Verdienst Heinz Fischers, den Historikern eine Dokumentation zusammengestellt zu haben, die ein umfangreiches, übersichtliches und objektives Bild ergibt, die aber gleichzeitig, trotz der Knappheit des Kommentars des Herausgebers (fünf Seiten), diejenigen erbarmungslos bloßstellt, die mitschuldig sind, daß es überhaupt so weit kommen konnte.

Kein Satz Borodajkewycz' ist wohl entlarvender als der in der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ veröffentlichte: „Es ist nur ein Teil der gesamtdeutschen Katastrophe, daß wir deutsche Österreicher zum zweitenmal innerhalb einer Generation das größere Vaterland verloren haben“ (S. 101). Wie kann die Bejahung der österreichischen Selbständigkeit glaubhaft sein, wenn die Erringung der Selbständigkeit zutiefst bedauert wird? Das Urteil des Strafbezirksgerichte Wien vom 22. Juni 1965 (S. 153 ff.), das endlich mit der Spruchpraxis aufgeräumt hat, einer nationalsozialistischen Gesinnung sei nur der zu bezichtigen, der sich ausdrücklich als Nationalsozialist bekenne, hat sich besonders auch auf diese und ähnliche Äußerungen berufen. Die wissenschaftliche Tiefe des Hochschulprofessors geht aber besonders aus der von ihm und seinem Anwalt, dem ehemaligen FPÖ-Abgeordneten Broesigke, verfaßten Berufungsschrift hervor (S. 171): „Der Nationalsozialismus war. wie der Name sagt, eine Kombination von Nationalismus und Sozialismus ...“ Diese Defination ist in ihrer Falschheit von geradezu umwerfender Naivität. Zu besonders aufmerksamer Lektüre sei die Gegenäußerung Heinz Fischers und Alois Brunnthalers (S. 178 ff.) empfohlen. Was hier über Antisemitismus und Rechtsradikalismus ausgeführt wird, weist über den Einzelfall weit hinaus und wird zu einem Dokument der Abrechnung mit den Verirrungen der Gegenwart.

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