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Ein Mann ohne Furcht

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Schlichter Glaube, mannhafte Selbstbehauptung, Opferkraft und Bekennermut prägten die Erscheinung jenes Mannes, der als Bischof von Münster weit über sein Amt hinauswuchs.

Clemens August von Galen entstammte einer alten westfälischen Adelsfamilie, die seit dem 10. Jahrhundert im Oldenburger Münsterland ansässig ist und im Laufe der Generationen viele Priester, Theologen und Ordensfrauen stellte. Als Sohn des Erbkämmerers von Galen wurde Clemens August streng, wenn nicht spartanisch erzogen. Frühzeitig prägte sich im Elternhaus das Bewußtsein sozialer Verantwortung für den Nächsten. Nach dem Besuch einer Lateinschule in Vorarlberg kam er nach einer unvergeßlichen Romreise und einem allgemeinen Studium auf das Priesterseminar in Münster. 1906 begann Galen als Seelsorger in Berlin, wo ein schweres Amt auf ihn wartete. Zwischen den Villen im Westen und den Mietskasernen im Osten lernte er in der Weltstadt Not, Armut, Luxus, Reichtum und vor allem Schuld und Verbrechen kennen. Sein Erbteil stiftete der junge Priester für den Bau eines Krankenhauses. Als Priester am GėsėllenHaus saß er fast Abend für Abend unter seinen Schutzbefohlenen, die ihn schlicht „Papa Galen” nannten. 1929 kehrte er zurück in die Heimat, nach Sankt Lamberti in Münster. Als ein Packer ihn beim Umzug mit „Herr Graf” titulierte, wehrte Galen ab: „Hier bin ich der Pastor und nicht der Graf.” Längst war er ein wahrer Volkspastor geworden.

Im deutschen Schicksalsjahr 1933 zum Bischof von Münster ernannt, begann er noch in einer Atmosphäre des allgemeinen Abwartens gegenüber dem neuen Regime mit dem Angriff auf die erklärten Kirchenfeinde. Im Fastenbrief von 1934 wandte sich Galen gegen die „Anbetung der Rasse” und erregte damit weit über das Münsterland hinaus Aufsehen. Als daraufhin der braune Quacksalber Rosenberg in Münster öffentlich auftrat, blieb der Bischof keine Antwort schuldig. Vom Fenster aus versprach er „niemals zurückzuweichen vor den Feinden des Christentums und den Verfolgern der Kirche”. Das war eine unerhörte und mehr als deutliche Sprache, die den Haß des ganzen Systems nach sich zog. Ein Haß der immer maßloser wurde, da die Nazis erkennen mußten, daß der Einfluß des Bischofs in der Bevölkerung nicht zu unterdrücken war. 1936 gedachte Clemens August von Galen öffentlich der eingekerkerten und ermordeten Männer, zu einer Zeit also, als sich die meisten Deutschen von den Anfangserfolgen des Tausendjährigen Reiches blenden ließen. Die Predigten des Bischofs wurden von vielen Pfarrern in ganz Deutschland gelesen und verbreitet.

Nach der Auflösung der Jugendverbände und der Bekenntnisschulen verschärfte sich die Drangsalierung der Kirche. Immer wieder versuchte die Gestapo durch Lüge und Terror Bischof Galen mundtot zu machen, aber nie gelang es ihr, in Münster einen sogenannten „V-Mann” als Spitzel zu finden. Dagegen warnten immer wieder anständige Polizeibeamte den Bischof vor Zwangsmaßnahmen. Als 1938 die Beschlagnahme von Klöstern systematisch einsetzte, stand der „Löwe von Münster” wieder auf und konnte seine übermächtigen Gegner sogar zurückschrecken. Die berühmt gewordene Predigt vom 3. August 1941 über die Ermordung Geisteskranker verbreitete sich in Windeseile in Deutschland. Bischof von Galen warnte vor jener „furchtbaren Lehre, die die Ermordung Unschuldiger rechtfertigt” und sprach von einem an „Sicherheit grenzenden Verdacht, daß diese Todesfälle absichtlich herbeigeführt werden”. In Briefen an alle zuständigen Behörden erstattete er immer wieder Anzeige wegen Mord. Da das Euthanasieprogramm streng geheim durchgeführt wurde, waren diese Enthüllungen für die NSDAP mehr als peinlich.

Wie aus Dokumenten hervorgeht, die erst nach dem Kriege entdeckt wurden, wollten die damaligen Machthaber Galen hinrichten lassen, ein Ende, mit dem der Bischof ständig rechnete. Aber Hitler und Bormann schreckten vor den Konsequenzen zurück. Erst nach dem gewonnenen Krieg wollten sie zum letzten Schlag gegen die Kirche ausholen. Bischof Galen trat bis zum Zusammenbruch des braunen Unrechtsstaates immer wieder für die Wahrheit ein. Seine Ernennung zum Kardinal 1946 war die sichtbare Ehrung für einen treuen Sohn der Kirche, dessen Name längst in aller Welt zum Symbol des wahren Deutschlands geworden war. Um so schmerzlicher empfanden Millionen beider Konfessionen die Nachricht von seinem Tode am 26. März des gleichen Jahres. Das Bild des Toten zeigte einen Verklärten, einen wahrhaft Vollendeten.

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