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Jude, Nazi, Kommunist — das Leben des Arnolt Bronnen

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Eine ausführliche Biographie des österreichischen Schriftstellers Arnolt Bronnen war längst fällig. Der Klagenfurter Germanist Friedbert Aspetsberger, der diese nun vorlegte, hat ein umfangreiches, reich illustriertes und in vielen Punkten sorgfältig gearbeitetes Buch geschrieben. Er setzte sich ausdrücklich das Ziel, die starren Urteile über Bronnen einer genauen Überprüfung und Neubewertung zu unterziehen.

Wie läßt sich die Lebenstragödie eines Dichters jüdischer Herkunft, der ein Anhänger des Expressionismus, später des Nationalsozialismus und danach des Kommunismus war -wodurch die Rezeption seines literarisch bedeutenden Werkes entscheidend beeinträchtigt wurde - in einer Riographie beschreiben und erklären?

Bronnen wurde 1895 in Wien als vorehelicher Sohn des jüdischen Schriftstellers Ferdinand Bronner geboren und in den zwanziger Jahren in Berlin als Dramaturg, Autor so bekannter Stücke wie „Vatermord" und enger Freund Brechts bekannt. 1927 wurde er Parteigänger der Nazis, arbeitete als Protege von Goebbels und Dramaturg des Beichsrundfunks, bis er aufgrund von Zerwürfnissen mit den NS-Herrschern 1937 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen wurde und später Schreibund Berufsverbot und Vorladungen zur Gestapo erhielt.

1943 konvertierte Bronnen in Berlin zum Katholizismus und setzte sich in das österreichische Salzkammergut ab. Dort engagierte er sich für den widerstand und wurde 1945 von den Amerikanern für zwei Monate als kommunistischer Bürgermeister von Goisern eingesetzt. Von 1945 bis 1950 arbeitete er als Kulturredakteur der kommunistischen Tageszeitung in Linz, obwohl seine publizistischen Möglichkeiten dort sehr eingeschränkt waren. Als Dramaturg des Wiener Theaters „Die Scala" von 1951 bis 1953 wurde er von den Schauspielern Karl Paryla und Wolf-gang Heinz kaltgestellt und arbeitete danach für die wiener kommunistisehe Zeitung „Der Abend". 1955 wurde er von Johannes R. Recher, dem damaligen DDR-Kulturminister, nach Ostberlin berufen, wo er als Theaterkritiker arbeitete und 1959 starb.

Rronnen hatte immer eine besonders zwiespältige Reziehung zu seiner jüdischen Herkunft.

Durch einen Vaterschaftsprozeß konnte er 1941 seine Herkunft abzuschütteln, ein Anliegen, das er gerichtlich erstmals 1930 durchzusetzen versucht hatte. Sein Vater lebte bis 1948 und es wäre interessant gewesen, mehr über dessen Reaktionen auf das Verhalten seines Sohnes zu erfahren. Überhaupt ist in der Biographie, trotz Einsicht in den Nachlaß und Kooperation beider Bronnen-Witwen, erstaunlich wenig über den Seelenzu-stand, die inneren Kämpfe und Skrupel des Dichters zu lesen.

In den Literatursalons der frühen dreißiger Jahre in Berlin, etwa beim Juden Hans Dieter Salinger, bei dem Bronnen verkehrte, trafen sich Rechts- und Linksradikale und auch Bronnen wurde, nach Aspetsberger, dem „Schwärm von Sekten nationalbolschewistischer Denkungsart ... von denen man nicht genau sagen kann, ob sie zur Rechten oder zur Linken gehörten" zugezählt.

Obwohl er nicht der Nazipartei, sondern nur dem NSKK, dem NS-Kraftfahrkorps, angehörte, war er nach seinen Zeitungsartikeln eindeutig Nationalsozialist und schrieb, wie sein Biograph erfreulich kritisch bemerkt, in der Tagespresse weder anständiger noch klüger als seine Kollegen. Aspetsberger publiziert als Beispiel einen Artikel über Max Reinhardt, in dem „Bronnens Infamie als nationaler Hetzer" besonders deutlich wird. Einen servilen Hymnus an Goebbels interpretiert der Biograph nur als Ausdruck der Angst, ohne dies näher zu begründen.

Bronnens komplexe Beziehung zum Judentum, nicht aber deren mögliche Gründe und Ursachen, die auch bei Aspetsberger nirgendwo wirklich plausibel gemacht oder auch nur erklärt werden, wird am deutlichsten in folgendem Bronnen-Zitat aus dem Jahr 1930: „Tatsache ist, daß sich aus keinem meiner Bücher und aus keinem meiner Worte irgendeine Stellungnahme zum Judentum herausdeuten läßt. Es gehört das nicht zu meiner Aufgabe, und es werden andere kommen, die diese Aufgabe lösen werden: wie, das wird wesentlich vom Judentum selbst abhängen. Im übrigen interessiert mich dieser Fragenkomplex zu wenig, trotz der fast schmeichelhaften ... Zähigkeit, mit der das Judentum mich als zu ihm gehörig reklamiert." Nach 1945 wurde Bronnen boykottiert. Nur Ernst Fischer, Otto Basil und Viktor Matejka setzten sich für ihn ein, der PEN-Club sowie der Verband demokratischer Schriftsteller unter Präsident Edwin Rollett verweigerten ihm die Aufnahme und das Burgtheater lehnte die Aufführung seiner Stücke ab.

Das Buch ist wichtig und notwendig, aber: Was bereits bei Bronnens eigener Autobiographie spürbar war, wird auch bei Aspetsberger deutlich. Die eigentlichen Motive und psychischen Prozesse bleiben selbst bei dieser, dennoch lesenswerten und bedeutenden, Darstellung im dunkeln.

Das von Johanna Tomek geleitete Theater m.b.H. führte bereits im Juni 1995 anläßlich von Bronnens lOO.Ge-burtstag sein Stück „Die jüngste Nacht" über den Einzug der Amerikaner ins Salzkammergut und Wilhelm Pellerts hervorragendes Monodrama über den Dichter „Der Casca-deur" auf. Außerdem veranstaltete das Theater eine später auch auszugsweise veröffentlichte Podiumsdiskussion über Bronnen. Aspetsberger nahm teil, er ist auch Herausgeber einer Neuausgabe von Bronnens Werken im Klagenfurter Bitter Verlag.

ARNOLT BRONNEN

Biographie. um Von Friedbert Aspetsberger. WM Bühlau Verlag, Wien, 199S. 8)9 Seiten, geb., öS 1.248,-

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