"Der Mensch ist ein alter Hoffer"

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Johannes Gobertus Meran, Primar im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien und neues Mitglied der Bioethikkommission, über das geplante Patientenverfügungsgesetz.

Es ist verblüffend - und doch nicht wirklich überraschend: "Je schlechter es einem Menschen geht, desto leichter ändert er seine Meinung." Vor allem darüber, was lebenswertes Leben ist. Und was nicht. Umso mehr warnt Johannes Gobertus Meran davor, die Grenzen medizinischer Behandlungen am Lebensende ein für allemal zu ziehen - etwa in Form einer "verbindlichen" Patientenverfügung, wie sie jenes Gesetz vorsieht, das am 21. März im Justizausschuss behandelt werden soll. "Ich bezweifle, ob Patientinnen und Patienten die Folgen solcher verbindlicher Willensbekundungen wirklich absehen können", erklärte Meran vergangene Woche im Rahmen eines "Jour Fixe" des Verbands Katholischer Publizisten in Wien. "Der Mensch hat eben ein unglaubliches Adaptationsvermögen. Er ist ein alter Hoffer."

Eine Beobachtung, die der Internist aus jahrelanger Behandlung von Krebspatienten am Wiener Wilhelminenspital und nun im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder gewonnen hat. Um den Patienten am Lebensende mehr Autonomie und den Ärzten mehr Rechtssicherheit zuzusichern, hätte er sich von der Ärztekammer standesrechtliche Richtlinien gewünscht. "Nachdem es aber nicht dazu gekommen ist, wird das nun eben in ein Gesetz gegossen." Ein Gesetz, das von einer Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium vorbereitet wurde, in der Meran selbst vertreten war. Dennoch hat er Sorge vor Situationen, in denen Ärzte "das Gefühl bekommen könnten, eine Patientenverfügung richte sich gegen den mutmaßlichen, aktuellen Willen" eines Menschen. Die "ausufernde Aufklärungspraxis", die verbindlichen Verfügungen nunmehr vorausgehen könnte, würde zudem weniger der Patientenautonomie dienen als der rechtlichen Absicherung der Ärzte vor Klagen. Diese Überlegungen führen Meran dazu, vor dem Verfassen verbindlicher Verfügungen sogar zu warnen: "Das wäre unklug und gefährlich", ist er überzeugt. Auch sei es nicht einsichtig, warum diese Dokumente vor einem Notar oder Rechtsanwalt unterfertigt werden müssten - einer jener Kritikpunkte, die Meran mit der Patientenanwaltschaft teilt.

Nachdenken über ein Tabu

Uneingeschränkt positiv sieht der Mediziner, der seit November auch neues Mitglied in der Bioethikkommission des Bundeskanzlers ist (wie auch der Wiener Strafrechtler Helmut Fuchs und die Innsbrucker Chirurgin Hildegunde Piza) die zweite Variante von Patientenverfügungen: jene "beachtlichen", die dem Arzt "nur" als Orientierungshilfe dienen. Rund 90 Prozent der über 100.000 Patientenverfügungen, die derzeit im Umlauf sind, seien in diesem Sinne "beachtlich", weiß Meran.

Ob verbindlich oder nicht: Das Ausfüllen von Patientenverfügungen würde Menschen jedenfalls dazu führen, sich überhaupt mit der Frage des eigenen Sterbens auseinander zu setzen. "Das ist ja sonst tabuisiert", weiß Meran, der sich an der Medizinischen Hochschule Hannover und am Londoner King's College intensiv mit medizinethischen Fragestellungen beschäftigt hat. "Oft wissen ja nicht einmal Ehepartner, was sich der andere am Ende des Lebens wünscht."

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