Die Re-Politisierung der Arbeitnehmer

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Vieles spricht dafür, dass die Österreicher in den letzten Monaten und Wochen "politischer" geworden sind. Kein Wunder. Eine im Inneren veränderte politische Landschaft und "äußere Feinde" geben ausreichend Diskussionsstoff für Politikwissenschafter, Medien, Experten und Stammtische aller Art. Das wiedererwachte politische Interesse und Engagement schlägt sich eindeutig nieder - etwa in der Zahl der Neu- und Wiedereintritte in Parteiorganisationen, die zuvor Jahre lang mit kontinuierlichem Schwund zu kämpfen hatten.

Vor allem die jüngsten Arbeiterkammerwahlen lassen den Schluss zu, dass nicht nur Reformen beim Wahlrecht und Vereinfachungen der Stimmabgabe zu einer erheblichen Erhöhung der Wahlbeteiligung geführt haben, sondern dass eine wachsende ideologische Identifizierung und Deklarationsbereitschaft gerade der Arbeitnehmer mit ihren eher "traditionellen" Repräsentanten eingetreten ist.

Dazu mag die Debatte im Hinblick auf die Sozial- und Pensionsversicherung beigetragen haben; die Ursache kann aber auch tiefgreifender Wandel in der Arbeitswelt an sich sein. Wenn insbesondere neu geschaffene Arbeitsplätze vor allem in Teilzeitarbeit, geringfügiger Beschäftigung und "Scheinselbstständigkeit" bestehen, ist eine Verunsicherung der Arbeitnehmer verständlich. Und wenn auch in "etablierten" Regelarbeitsverhältnissen die berufliche und betriebliche Kontinuität drastisch zurückgeht, steigt verständlicherweise der Wunsch nach Rückhalt in einer (stärkeren) Interessenvertretung.

Vor allem ungelernte Arbeiter, aber auch Beschäftigte in Kleinbetrieben schaffen es kaum, länger als drei oder gar bis zu zehn Jahre in einem Betrieb zu verbleiben, während Höherqualifizierte, Angestellte und Beamte beziehungsweise Beschäftigte in Großbetrieben viel eher die Chance haben, sich betrieblich und beruflich stabil zu halten.

Im Sinne der heute vielzitierten Mobilität und Flexibilität (die den Arbeitnehmern viel eher zugemutet wird als den Arbeitgebern und Unternehmen) mag das sogar wünschenswert sein - Tatsache ist aber, dass immer kürzere Arbeitsverhältnisse es gerade Arbeitnehmern um die 40 oder 50 Jahre nicht erlauben, das Ausmaß an Erfahrungskompetenz aufzubauen, das sie vor Altersarbeitslosigkeit schützen könnte. Hier findet die nunmehr gestärkte und bestätigte Interessenvertretung eine klare Herausforderung vor, das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen.

Die Autorin ist Professorin für Gesellschaftspolitik an der Universität Linz.

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