"Die Stadt ist wie eine Blackbox“

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Großstädter erkranken häufiger an Depressionen und Angststörungen. Interview mit dem Psychologen Florian Lederbogen über die Ursachen.

Das Gespräch führte Eva Rohrhofer

Stadtluft macht krank - zumindest psychisch. Großstädter haben ein erhöhtes Risiko, an seelischen Leiden zu erkranken. Forscher fanden 2011 interessante Zusammenhänge zwischen sozialem Stress und dem Leben in der Großstadt. Was das mit Smartphones, Parks und Netzwerken zu tun hat, erklärt Florian Lederbogen vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit.

Die Furche: Großstädter haben ein 40 Prozent höheres Risiko für psychische Erkrankungen. Warum schlägt sich das Leben in der Stadt so auf’s Gemüt nieder?

Florian Lederbogen: Die psychische Gesundheit von Großstädtern ist in der Tat schlechter. Wir können nur Vermutungen anstellen, warum das so ist. Es gibt verschiedene Verdächtige, die in Frage kommen: Zum Beispiel die vermehrte Belastung durch Lärm oder Schadstoffe, aber auch Drogenkonsum oder Kriminalität. Am ehesten aber spielen soziale Ausgrenzung und sozialer Stress eine Rolle. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass fehlende soziale Unterstützung seelische Erkrankungen hervorruft. Städter sind wahrscheinlich häufiger mit sozialer Ausgrenzung konfrontiert.

Die Furche: Städte bieten andererseits zahlreiche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.

Lederbogen: Das Stadtleben per se macht nicht krank; insgesamt sind Stadtmenschen sogar gesünder als Landbewohner. Sie haben besseren Zugang zu medizinischer Versorgung, zu Arbeit und Kultur. Trotzdem sind psychische Erkrankungen häufiger.

Die Furche: Stadtbewohner reagieren anders auf sozialen Stress als Landmenschen. In einer 2011 veröffentlichten Studie haben Sie diesen Zusammenhang untersucht.

Lederbogen: Wir haben gesunde Menschen gebeten, unter Zeitdruck Rechenaufgaben zu lösen. Dabei wurden Ihre Gehirnfunktionen kontrolliert. Den Teilnehmern wurde suggeriert, dass sie beobachtet würden, dass sie im Vergleich mit den anderen schlecht abschnitten und dass der Erfolg unseres Versuches allein von ihnen abhinge. Wir haben eine Stresssituation geschaffen, in der die Probanden soziale Ausgrenzung und Niederlage erfuhren.

Die Furche: Ihre Ergebnisse?

Lederbogen: Wir konnten deutlich erkennen, dass bestimmte Hirnregionen bei Städtern aktiver waren als bei Landbewohnern. Bei Menschen, die in der Stadt aufgewachsen sind, war ein Teil des Vorderhirns - unter Stress - aktiver.

Die Furche: Damit ist aber noch nicht geklärt, welche Faktoren des Stadtlebens die Stressmuster im Gehirn hervorrufen. Ihr Institut hat gemeinsam mit der Uni Heidelberg und dem Karlsruher Institut für Technologie spezielle Smartphones entwickelt, die darauf Antwort bringen sollen.

Lederbogen: Mit Hilfe der Smartphones wollen wir eine bessere Auflösung unserer Daten erreichen. Bis jetzt ist die Stadt eine Blackbox. Wir wissen nicht genau, welche Aspekte des Stadtlebens uns für seelische Erkrankungen empfindlich machen. Das gilt es, herauszufinden. Unsere Testpersonen teilen uns deshalb über die Telefone mit, wie es ihnen aktuell geht. Wir sehen uns dann an, wo sie sich gerade aufhalten und untersuchen, welche Bedingungen dort vorherrschen; wie hoch etwa die Lärm-, Verkehrs- oder Feinstaubbelastung ist. So wollen wir erkennen, welche Faktoren mit Wohlbefinden oder Stress, vielleicht sogar Erkrankungen, verbunden sind. Wir erhoffen uns bis 2018 interessante Ergebnisse.

Die Furche: Aufenthalte in der Natur sollen positiv auf die Psyche wirken. Geht es Menschen in Städten mit Grünflächen besser?

Lederbogen: Ich glaube, ja. Wenn sich ein Mensch mit aktivierten Stresssystemen im Grünen aufhält, hat das positive Auswirkungen. Darüber hinaus ist ein gut funktionierendes soziales Netzwerk förderlich für unsere psychische Gesundheit. Außerdem können sich Städter in Resilienz üben - der Fähigkeit, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

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