Jeder Lorbeer welkt

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Oft liegt zwischen der Straße des Ruhms und dem Weg zum Friedhof nur ein kleiner Schritt.

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Oft liegt zwischen der Straße des Ruhms und dem Weg zum Friedhof nur ein kleiner Schritt.

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Zwei Österreichern wurde in den letzten Tagen auch international enormes Medienecho zuteil. Der eine war ein Star der Pop-Musik - nun liegt das, was an Hans Hölzel alias Falco sterblich war, in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Der andere hat drei Tage nach einem fürchterlichen Sturz den Super-G von Nagano gewonnen und fühlt sich nun "unsterblich" - Hermann Maier hat mit Olympiagold den Olymp der Götter erklommen, zumindest jenen der Idole und Abgötter, der Lieblinge der Massen.

Wer sind die Idole unserer Zeit? Was fasziniert an ihnen? Eines steht fest: Idole bedürfen heute der Medienunterstützung, zumindest der Medienpräsenz. Wer nicht regelmäßig auf dem Bildschirm oder in den Schlagzeilen der Presse auftaucht, ist weg vom Fenster und wird höchstens kleine Gruppen von Menschen bewegen können. Und die Gründe, warum jemand in den Massenmedien oft an prominenter Stelle vorkommt, sind vor allem zwei: Erfolg oder Skandal. Meßbare Leistung oder geschickte Selbstvermarktung (auch eine Leistung), oft auch beides in Verbindung, machen das wahre Idol aus, dem seine Anhänger durch dick und dünn folgen.

Bekanntheit ist also Voraussetzung, aber bei weitem nicht alles. Auf dem Wiener Opernball werden viele Prominente, aber wenige Idole anzutreffen sein. Das echte Idol muß Sympathie im Sinne von Mitfühlen erwecken, dann schenken ihm die Anhänger fast wie ein blind Verliebter ihre ganze Bewunderung und träumen sich selbst in die Rolle dieses erfolgreichen Menschen hinein. Wenn sie ihre Anhängerschaft auch noch modisch oder verbal deutlich deklarieren, fühlen sie sich geradezu als Teilhaber am Erfolg ihres Idols. Und im Sport spielt natürlich auch noch Patriotismus, im schlechtesten Fall sogar fanatischer Nationalismus, eine wichtige Rolle: Einer aus meinem Land, vielleicht sogar aus meinem Ort, steht im Rampenlicht, ich daher auch ein bißchen. Und es stimmt sogar: Das Fernsehen verfolgt heute nicht nur die agierenden Sportler, sondern mehr denn je, wie sich die Angehörigen und Anhänger der Medaillenanwärter in den entscheidenden Augenblicken vor dem TV-Gerät verhalten.

Idole prägen Epochen und werden von ihnen geprägt, widerspiegeln und gestalten mitunter sogar den "Zeitgeist". Der Popsänger Falco brachte in seinen Werken - ob man sie nun mag oder nicht - das Lebensgefühl vieler aus seiner Generation zum Ausdruck, wie einst ein Elvis Presley oder die Beatles. Und ein Skiläufer wie Hermann Maier, der als Jugendlicher als körperlich zu schwach für den Spitzenskilauf galt, sich aber mit beinharter Disziplin auf Umwegen ins Nationalteam arbeitete und nun sogar drei Tage nach einem lebensgefährlichen Sturz einen Triumph feierte, wird manchem Hoffnung geben, der bisher auch eher Niederlagen einstecken mußte.

Es können Helden der Hitparaden und der Sportarenen sein, aber auch Stars der Leinwand und der Klatschspalten, manchmal auch politische und religiöse Führungspersönlichkeiten, die in großer Zahl Verehrer oder sogar Nachahmer finden. Aber was bewundert man - nur den Ruhm und den Erfolg? Was ahmt man nach - nur modische Äußerlichkeiten? Oder nimmt man sich, gerade bei sportlichen Idolen, auch den Trainingseifer, die Leistungsbereitschaft zum Vorbild? Passen dann zum Beispiel Alkohol und Nikotin zu richtigen Sportfans?

Sicher tragen Idole eine erhöhte Verantwortung. Sie können wie der Rattenfänger von Hameln Schaden stiften, sie können aber auf ihre Anhängerschaft auch einen guten Einfluß ausüben. Die Medien hätten dabei die Aufgabe, auch Idole differenziert darzustellen. Wer auf einem Gebiet tüchtig und erfolgreich ist, muß keineswegs in allem Vorbild sein. In Nagano führten das der kanadische Snowboard-Olympiasieger, dem Marihuana-Konsum nachgewiesen wurde, oder der österreichische Snowboarder, der auf einer feucht-fröhlichen Party einen Computer demolierte, vor. Wer erfolgreich Schlager produziert oder im Sport Medaillen hamstert, kann auf anderen Gebieten total versagen, und das gehört im jeweiligen Fall deutlich gesagt.

Falsch ist die Annahme, daß nur Sportler und Größen der Unterhaltungsbranche bei der Mehrheit der Menschen Anklang finden. Immer wieder belegen Umfragen, daß zum Beispiel der heutige Papst in Amerika oder der Arbeiterseelsorger Abbe Pierre in Frankreich die Beliebtheitsskala anführen, nicht im eigentlichen Sinn als Idole, sondern als Menschen, deren Einsatz für wichtige Werte anerkannt wird.

Idole kommen und gehen. Welche bleiben natürlich, welche heben ab und finden kaum mehr Bodenhaftung? Welche werden "unsterblich", zumindest zu einem "Mythos"? Ein Tod in jungen Jahren, sei es durch Unfall (Prinzessin Diana und jetzt Falco), Mord (John Lennon), Selbstmord (Marilyn Monroe), Drogen (Jimi Hendrix) oder Krankheit (Evita Peron) erhöht da oft die Aussichten, auch bei Sportlern (Ulli Maier, Rudi Nierlich).

Aber die meisten werden lieber länger leben und in Kauf nehmen, als Idol langsam zu verblassen. Dann können sie immer noch bis ins Alter als "lebende Legenden" (wie einst Greta Garbo oder heute Toni Sailer), vor allem bei Angehörigen ihrer eigenen Generation, schöne Erinnerungen heraufbeschwören.

Für die große Geschichte sind Idole meist nur Randfiguren. Wer weiß noch etwas über die damals sicher wie heute bejubelten darstellenden Künstler und Sportheroen der Antike? Die Namen der Herrscher, aber auch der Dichter und Philosophen haben sie überlebt. Bei aller Bewunderung für große Leistungen ist zu beachten: Jeder Lorbeer wird welk, der Ruhm der Welt vergeht. Wer das weiß, ist klug.

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