Rätselhafter letzter Wille

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Das öffentliche Sterben der Wachkoma-Patientin Terri

Schiavo hat die usa

entzweit. In Österreich soll

nun ein neues Gesetz den

Patientenwillen stärken.

Die Richter haben gesprochen. Jetzt wartet alles nur noch auf ihren Tod: Seit Monaten spaltet das Schicksal von Terri Schiavo die us-amerikanische Öffentlichkeit. Während sich die einen (mit Terris Ehemann Michael Schiavo) darüber entsetzen dass der vermeintliche Wunsch der heute 41-jährigen Frau nach einem Sterben jenseits intensivmedizinischer Lebenserhaltung seit 15 Jahren übergangen wird, empören sich die anderen (mit Terris streng-katholischen Eltern Bob und Mary Schindler) darüber, dass hier ein Mensch lebendigen Leibes verhungert.

Selbst US-Präsident George W. Bush - bedrängt von der religiösen Rechten - ergriff Partei: Am Palmsonntag unterfertigte er ein Eilgesetz, das Terris Eltern den Gang zu einem Bundesgesetz möglich machte, um ihrer Tochter die überlebensnotwendige Sonde wieder einzusetzen. Vergeblich: Am Wochenende wurde ihr letzter Eilantrag beim Obersten Gericht in Florida abgewiesen. Seitdem gilt der Tod der Frau, die 1990 nach einem Herzstillstand ins Wachkoma gefallen war und seither durch eine so genannte peg-Sonde über den Bauch künstlich ernährt wurde, als ausgemacht.

Der Fall von Terri Schiavo ist in mehrfacher Hinsicht umstritten: So ist die Expertenmeinung über das Wahrnehmungs- und Empfindungsvermögen von Patienten im so genannten Wachkoma - also Menschen mit dem klinischen Bild eines apallischen Syndroms - geteilt: Der Wiener Neurologe Franz Gerstenbrand etwa meint, dass die Einstellung der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr bei Terri Schiavo einer aktiven Euthanasie gleichkomme. "Die Patientin hat Kontakt zu ihrer Umwelt. Sie hat Zuwendung, spürt alles und hat Emotionen." Nach Gerstenbrand könne ein Großteil der Apalliker resozialisiert werden. Vom Koma bis zum vollen Bewusstsein würden sie sieben so genannte "Remissionsphasen" durchlaufen. Nach Meinung von Johann Donis, Leiter der 40 Betten umfassenden "Apalliker Care Unit" im Geriatriezentrum am Wienerwald, befinde sich Schiavo immerhin auf Remissionsstufe 3: "Das heißt, sie bekommt etwas mit. Sie folgt mit ihren Augen."

Nicht minder umstritten wie die medizinische ist die rechtliche Situation: Tatsache ist, dass eine PEG-Sonde in den USA als therapeutische Maßnahme gilt - und deshalb entfernt werden kann. In Österreich hingegen gehört die Sonden-Ernährung zur pflegerischen Grundversorgung. "Keiner würde in Österreich bereit sein, eine solche Sonde wegzunehmen", betont der evangelische Theologe und Medizinethiker Ulrich Körtner gegenüber der furche. "Die Frage ist aber, ob man sie sich überhaupt legen lässt."

Verbindlicher Patientenwille

Bisher wurde eine vorliegende Willenserklärung in Form einer Patientenverfügung von den Ärzten nicht wirklich verbindlich gehandhabt. Zu groß war die Angst vor Klagen. Nun soll durch ein neues Bundesgesetz mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Um gültig zu sein, muss eine Patientenverfügung demnach bei voller Einsichts- und Urteilsfähigkeit, schriftlich und unter Zeugen verfasst werden. Zudem soll sie laut einem Entwurf der zuständigen Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium alle drei Jahre erneuert werden müssen.

"Eine Patientenverfügung ist aber jedenfalls dann nichtig, wenn sie in klarem Widerspruch zum geltenden Strafrecht steht", erklärt Körtner, Mitglied der Arbeitsgruppe. Ein Wunsch nach aktiver Sterbehilfe wird folglich auch weiterhin nicht erfüllt: Laut Strafgesetzbuch sind sowohl "Tötung auf Verlangen" (Paragraph 77) als auch "Mitwirkung am Selbstmord" (Paragraph 78) verboten.

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