Ein Aufdecker, der Geschichte machen will

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Julian Assange im Porträt.

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Julian Assange im Porträt.

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Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner sieht hin. Für Julian Assange undenkbar. Er hält nichts von der US-Presse, die beim Irakkrieg auffallend geschlossen der Regierungslinie folgte. Und dabei nach seiner Überzeugung das Wesentliche übersah.

Assange will den Mächtigen in die Quere kommen, die Medien aus dem unpassenden Gehorsam befreien und Missstände aufdecken; er will Dokumente sicherstellen und veröffentlichen, "die Geschichte machen", sagte er einmal. Auf seiner Internetseite WikiLeaks hat Assange 400.000 Dokumente über den Irakkrieg veröffentlicht, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Von der unrechtmäßigen Veröffentlichung geheimer Akten und Gefährdung der nationalen Sicherheit sprechen die offiziellen Stellen der USA, von Vertuschung spricht Assange. "Das Pentagon sagte, es erwarte in den Dokumenten ,nichts Neues', vergaß aber zu sagen, dass es ,nichts Neues für SIE' gemeint hat", ätzte ein Blogger auf der WikiLeaks-Seite. Für die USA eine brenzlige Situation, denn die Golfstaaten und China fordern nun rigorose Aufklärung. Immerhin besagen die Dokumente, dass im Irakkrieg weit mehr Zivilisten getötet wurden als bisher zugegeben - und auch, wie Menschen systematisch gefoltert und ermordet wurden.

Der 39-jährige Australier Julian Assange gründete 2006 die Internet-Plattform WikiLeaks, auf der anonym Dokumente veröffentlicht werden können. Fünf Mitarbeiter und 800 Gelegenheitsblogger steuern Inhalte bei. Die nichtkommerzielle Plattform zeigt geheime und zensierte Dokumente, die von politischem oder ethischem Interesse sind. "Whistleblower", Menschen, die Missstände aufdecken, sollen sich auf WikiLeaks artikulieren können. Weshalb Länder wie China, Israel, Nordkorea oder Russland den Zugang zu WikiLeaks vorsorglich gesperrt haben.

Julian Assange sieht sich selbst als investigativen Journalisten. Der studierte Physiker hatte bereits mehrfach Missstände aufgedeckt und erhielt 2009 den "Amnesty International Media Award", nachdem er Berichte über Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren geliefert hatte. Weil er 92.000 geheime NATO-Dokumente publizierte, wird Assange seit Juni 2010 von den USA gesucht, die ihm ein mögliches Verbrechen bei der Beschaffung der Akten unterstellen. Assange beantragte daraufhin eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in Schweden, wo jetzt auch der Server von WikiLeaks steht.

In Schweden gibt es einen umfassenden Quellenschutz für Journalisten - also das ideale Land für einen wie Assange. Jedoch sieht er sich hier seit August mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Kurzzeitig gab es wegen einer angeblicher Vergewaltigung einen Haftbefehl gegen ihn, der aber wieder aufgehoben wurde. Jetzt ermitteln die schwedischen Behörden in der Angelegenheit jedoch erneut. Assange vermutet dahinter "schmutzige Tricks" seiner Gegner und weist alle Vorwürfe zurück.

Laut Eigendefinition ist Assange ein "Freiheitskämpfer". Aus seinem Umfeld ist zu hören, er habe einen ungewöhnlich hohen IQ und einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. In einem Spiegel-Interview sagte er: "Leider können diejenigen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen, das Recht auf Geheimhaltung allzu leicht missbrauchen. Menschen mit einem Gewissen haben derlei immer schon aufgedeckt. Die gefährlichsten Männer sind diejenigen, die Krieg führen. Wir müssen sie stoppen."

Nachsatz: "Es macht mir wirklich Spaß, den Mächtigen in die Suppe zu spucken."

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