7082894-1994_06_01.jpg
Digital In Arbeit

Rushdie-Schicksal für Tasmila Nasrin

19451960198020002020

Eine „Salman-Rush- die-Affäre“ erschüttert Bangladesh. Die 31jährige moslemische Medizinerin und Autorin Nasrin zittert um ihr Leben.

19451960198020002020

Eine „Salman-Rush- die-Affäre“ erschüttert Bangladesh. Die 31jährige moslemische Medizinerin und Autorin Nasrin zittert um ihr Leben.

Werbung
Werbung
Werbung

Den Fanatismus ihrer eigenen Glaubensbrüder hat Tasmila Nasrin in ihrem jüngsten Roman „Ladjdja“ (Schande) angeprangert. Der auf Tatsachen beruhende Roman beschreibt die an einer Hindufamilie verübten Grausamkeiten, ausgelöst durch den Sturm von Hindu-Chauvinisten auf die historische Babri-Moschee in Indien, an deren Stelle ein Hindutempel entstehen soll. Im benachbarten Rangladesh hatten die indischen Ausschreitungen gegen Moslems im Dezember 1992 schwere Unruhen ausgelöst, zahlreiche Hindutempel fielen dem Rachedurst fanatischer Moslems zum Opfer. Mehrere hundert

Angehörige der bodenstämmigen Hindu-Mehrheit wurden niedergemetzelt. Davon handelt „Ladjdja“.

Die Selbstkritik Tasmila Nasrins löste einen Sturm der Entrüstung aus. Die rechtsradikale Organisation „Sahaba Sainik Parishäd“ (Rat der Soldaten des Propheten) forderte, daß alle Schriften Nasrins aus dem Verkehr gezogen werden, da sie Islam und Koran in den Schmutz zögen. Die Tageszeitung „Banglabazar Patrika“ berichtete von Forderungen moslemischer Religionsführer, Nasrin hinzurichten und ihre Bücher zu verbrennen.

Sicher hätte „Schande“ weniger Empörung ausgelöst, wenn Religionsfanatiker die Autorin nicht ohnehin bereits aufs Korn genommen hätten wegen früherer Schriften über das Los der Frauen. „Sie verlangt Freiheit für das Weibervolk. Die sollen sogar nach eigenem Wunsch ihre Bettpartner wechseln dürfen“, hieß es in einem empörten Leserbrief an „Banglabazar Patrika“.

Der Chef des vorhin genannten Parishad,-der Maulä-

na (Rechtsgelehrte) Habib- ur-Rahman, rief zu einem Proteststreik gegen Tasmila Nasrin auf; er drohte mit schärferen Protestmaßnahmen, sollte die Regierung unter der relativ fortschrittsfreudigen Ministerpräsidentin Khälida Zia die frevelhafte Autorin nicht bald verhaften. Bangladesh hat sogar Gesetze zum Schutz der Bürger vor willkürlicher Rechtsprechung fanatischer Religionsgelehrter, das heißt, ein „Fatwa“, wie es Khomeini vor exakt fünf Jahren gegen Salman Rushdie erließ, ist hier eigentlich strafbar. Aus politischer Rücksichtnahme - Khalida Zia ist zum Beispiel gegen ihre säkularistische Rivalin Hasina Wäjid auf das Wohlwollen der Mullahs angewiesen - werden diese staatlichen Gesetze gegen selbstherrliche Mullahs nicht angewandt. Daher hat die Regierung das Buch „Ladjdja“ mit dem Bann belegt. Das kann zu neuen Ausschreitungen zwischen Moslems und Hindus führen. Hindus in Indien weinen Krokodilstränen um Nasrin und benutzen die Autorin für ihre eigene Politik.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung