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Der „Humbug”-Fan

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Der Verlust meines einzigen Abnehmers ist für mich ein Unglück gewesen ...”, schrieb der Maler Albin Egger-Li-enz in einem Brief. 1914 war Egger-Lienz, der heute wegen seiner symbolträchtigen Bilder aus dem bäuerlichen Bereich als Tiroler Heimatmaler verehrt wird, noch völlig unbekannt. Daher traf ihn der Tod seines Gönners finanziell, aber auch persönlich, sehr stark: Franz Hauer, der bedeutendste Wiener Mäzen und Kunstsammler seiner Zeit, war im Alter von 48 Jahren gestorben.

Hauer wurde 1867 als Sohn eines Briefträgers in Weißenkirchen in der Wachau geboren. Von seinen 15 Geschwistern erreichen nur drei das dritte Lebensjahr. Der junge Hauer verdiente seinen Lebensunterhalt als Fleischer, Schweinetreiber, Hausknecht und Soldat. •

Im Jahre 1894 verlieh die Heirat mit Cacilia Lintner, die er während des Militärdienstes kennengelernt hatte, seinem Leben eine Wende: Hauer trat in das Geschäft seines Schwagers ein, der das noch heute bekannte Wirtshaus „Griechenbeisl” in der Wiener Innenstadt führte. Nach dem unerwarteten Tod des Schwagers, der kinderlos geblieben war, übernahm Hauer die Gaststätte, die sich als Goldgrube entpuppte. Aus dem ehemaligen Vieh-treiber wurde ein wohlhabender Mann. Der Tod seiner Frau Oäcilia 1906 riß ein Loch in sein Leben.

„Bald nach dem Tode meiner Mutter machte mein Vater die Bekanntschaft eines Malers namens Kotzbeck. Mein Vater erwarb von ihm mehrere Bilder und hängte sie in seiner Wohnung auf. Dann trat er, sein Werk betrachtend, einige Schritte zurück und sprach: ,Eigentlich schön, so Bilder an der Wand.' Und da alle Wände des weitläufigen Hauses leer waren und die Einnahmen meines Vaters von Jahr zu Jahr zunahmen, begann er sich immer mehr für Kunstausstellungen zu interessieren”, erinnerte

Franz Hauer, dem größten Kunstsammler Wiens vor dem Ersten Weltkrieg, ist eine Ausstellung in der Kunst Halle Krems gewidmet. sich Leopold Hauer, Sohn des Mäzen. Bald überließ Franz Hauer den Gasthausbetrieb einem Geschäftsführer und widmete sich ausschließlich seiner Kunstsammlung. Bemerkenswerterweise interessierte sich Hauer ausschließlich für unbekannte Künstler: „Arrivierte Künstler interessierten ihn nicht. Wenn mein Vater von einem jungen, unbekannten Maler hörte, war mit Sicherheit anzunehmen, daß er in Kürze bei ihm erschien”, berichtete der Sohn.

Eine Ausstellung in der Kunst Halle Krems hat versucht, jene Sammlung, die Hauer bis zu seinem frühen

Tod zusammentrug, zu rekonstruieren. Hauer häufte in seiner Villa Unmengen an Bildern an, unter anderem Werke von Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Albin Egger-Lienz, Anton Faistauer und Hubert Lanzinger - „vielleicht die große Entdeckung der Ausstellung”, wie Wolfgang Denk, Leiter der Kunst Halle, in bezug auf letzteren meint. Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist wohl das Porträt Hauers aus dem Pinsel Kokoschkas, das eine wahre Odyssee hinter sich hat: Nach dem Tod Hauers kam das Gemälde über Berlin nach Düsseldorf, wo es 1937 als Werk eines „entarteten Künstlers” von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und verkauft wurde.

Über Güstrow und Zürich wanderte es schließlich 1953 an seinen wohl endgültigen Standort: Das Museum of Art in Rhode Island, Massachusetts (USA).

Hauer begann seine Sammlertätigkeit mit gefälligen Werken: Landschaften, Stilleben und Bilder von Tieren. Mit seinem Engagement für Egger-Lienz ließ Hauer jedoch das 19. Jahrhundert hinter sich. Hauer, der mit Künstlern persönliche Kontakte pflegte und für den Atelierbesuche auf der Tagesordnung standen, stieß bald auf einen Teil jener junger, avantgardistischer Künstler, die heute noch das Bild der Metropole Wien vor dem Ersten Weltkrieg prägen: Allen voran Schiele und Kokoschka. Hauer beschritt „einen Weg, der heute zwar leicht einsichtig zu sein scheint, aber aus damaliger Sicht un-versändlich war und es für die Zeitgenossen wohl auch vorwiegend blieb”, wie der Kunsthistoriker Werner J. Schweiger analysiert.

„Den Kokoschka würde ich ihnen nicht empfehlen, auch ungesehen” hatte Egger-Lienz, der der Meinung war, „einen solchen Humbug” solle man „nicht mit einem Kreuzer unterstützen”, an Hauer geschrieben. Der Rat des Malers, der sich ein wenig als Berater und Kritiker „seines”Samm-lers fühlte, nützte nichts: Ab 1912 kaufte Hauer zahlreiche Werke Kokoschkas und auch Schieies. Vor allem für zweiteren wurde Hauer einer der wichtigsten Abnehmer.

In seinen letzten Lebensjahren hatte sich ein Wandel in der Person Hauers vollzogen. Aus dem ehemaligen Fleischhauergesellen, Schweinehirten und Unteroffizier war ein würdevoller, äußerst vornehmer Mann geworden. 1914 wurde er durch eine Blinddarmentzündung aus dem Leben gerissen. Seine Sammlung hat ihn nicht lange überdauert: Wahrscheinlich aus wirtschaftlichen Gründen wurde sie von seiner Familie weit unter ihrem Wert verschleudert. Daß einige Werke - darunter Zeichnungen von Schiele - damals nicht an den Mann zu bringen waren und so in Familienbesitz blieben, freut heute die Nachkommen. Der Großteil der Sammlung ist jedoch teils verschollen, teils über die ganze Welt verstreut.

(bis 23. Februar 1997)

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