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HUGO HANTSCH / ORDENSMANN UND HISTORIKER

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Hugo Hantsch — ein Siebziger.' Die Berchtold-Biographie des österreichischen Historikers Hugo Hantsch ist, in aller wissenschaftlichen Akribie und Behutsamkeit, in aller Sorgfalt der Wertung und des Urteils (das sich bemüht, nicht „über“, von oben herab zu urteilen, sondern einfühlend die schicksalsschweren Entscheidungen vor und um 1914 ■mitzudenken) ein Bekenntniswerk: das abendländische Bekenntnis eines Altösterreichers, der sein Lebenswerk jenem Österreich gewidmet hat, das im hohen Barock des Heiligen Römischen Reiches seine erste weltgültige Selbstdarstellung fand und dem im 19. und 20. Jahrhundert so einzigartige Verkennungen und verzerrte Darstellungen widerfuhren, wie nur einem Lande noch in Europa: jenem Spanien, das lange Zeit in der Achse Madrid-Prag-Wien eine innere Achse Europas bildete.

Hugo Hantsch wurde am 15. Jänner 1895 in Teplitz-Schön-au geboren, in einem Kulturraum also, der durch die Habsburger in jenes germanisch-romanischslawische Europa eingeformt wurde, das in seinem Barock einen universalen Reichsstil schuf, an dem man es heute noch über alle Grenzen der Gegenwart hinweg erkennt. Der junge Mann tritt in das Benediktinerkloster Melk ein: die raumbildende Kraft eines kaiserlichen Barock hat das Juwel, Stift Melk, geschaffen Melk ist aber auch der Ort, an dem einige Ahnherren der neuzeitlichen österreichischen Geschichtsforschung wahrhaft zu Hause waren. Das benediktinische Melk ist gleichzeitig eine lebende Zelle jenes benediktinischen Europas, das von Monte Cassino aus Benedikt von Nursia, „Vater des Abendlandes“, geschaffen hat. Historie. Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung im Geiste benediktinischer Pietät, im Großraum einer österreichischen Humanität: das bildet ein Leitmotiv, ja eine Leitmelodie im reichen Schaffen des Historikers Hugo Hantsch.

Priesterweihe 1918, dem Todesjahr der Donaumonarchie. Promotion, nach theologischen und philosophischen Studien, 1921 in Innsbruck: in einem frühen Krisenjahr der Ersten Republik Österreich. Hantsch wird dann zunächst Archivar im gräflich Schönbornschen Schloß in Wiesentheid: dem Reichsvize-kanzler Friedrich Karl von Schönborn gilt eine seiner ersten bedeutenden Arbeiten. Im „Institut für österreichische Geschichtsforschung“ in Wien tritt er in die klassische Ausbildungsstätte des Historikers.

Habilitation 1930, 1935—1938: außerordentlicher Professor für österreichische Geschichte an der Universität Graz. Der aufrechte Österreicher erlebt das erste Jahr nach dem Untergang der Ersten Republik im Konzentrationslager Buchenwald. Fast sieben Jahre wirkt er dann im stillen als Pfarrer in dem niederösterreichischen Ort Ravelsbach. Die Zweite Republik Österreich bringt Hugo Hantsch eine Fülle von Arbeiten, Bürden, Würden, Sorgen und Aufgaben. Seit 1946 wirkt er als ordentlicher Professor für allgemeine Geschichte der Neuzeit in Wien: die junge, nach dem zweiten Weltkrieg in Wien gebildete Historikergeneration, vor allem unsere Mittel-schullehrer, sind durch seine Schule gegangen. Sein Verdienst ist es, initiativ am Aufbau eines — vielfach erstmaligen — österreichischen Geschichtsbeiuußt-seins beteiligt zu sein: der Ausfall eines fundierten österreichischen Patriotismus trägt in Krisenzeiten immer wieder dazu bei, unseren Staat In eine Katastrophe schlittern zu lassen...

Als Vorsitzender der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, des wissenschaftlichen Beirates der Gesellschaft für Außenpolitik, des Forschungsinstitutes für den Donauraum nimmt Hugo Hantsch Positionen ein, die kulturpolitisch und staatspolitisch von Bedeutung sind. Seine mehrbändige Geschichte Österreichs hat weit über Österreich hinaus, in den letzten Jahren vor allem auch in Amerika, wirksam dazu beigetragen, daß man in der gebildeten Welt nicht mehr nur mit Augen des Hasses, mit den Augen der Totengräber und Todfeinde Altösterreichs auf unser Land blickt. Eine Reihe ausländischer wissenschaftlicher Gesellschaften hat ihm ihre Mitgliedschaft verliehen.

Den reichen und späten Sommern einer abendländisch-österreichischen Reichswelt, zwischen dem Barock und ersten Weltkrieg, hat Hugo Hantsch ein Lebenswerk gewidmet. Mögen ihm selbst viele Jahre vergönnt sein, jene Arbeiten zu vollenden, die immer wieder zurückgestellt werden mußten: In reifer Schaffenskraft tritt Hugo Hantsch in sein achtes Lebensjahrzehnt.

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