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Die Geschichte Österreichs

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Mit diesem zweiten Band hat Hantsch seine „Geschichte Österreichs“ im wesentlichen abgeschlossen, obwohl ein dritter noch Nachträge und auch eine Darstellung der wirtschaftlichen und allgemeinen kulturellen Verhältnisse Österreich-Ungarns bringen wird. Aber dieses umfangreiche Buch ist auch für sich genommen ein geschlossenes Ganzes. Schildert es doch die Geschichte der österreichischen Monarchie, Österreich-Ungarns, vom Aufstieg zur Großmacht bis zu deren Ende. Es ist daher in der Hauptsache Staats-geschidite, politische Geschichte. Wohl sind die sozialen und kulturellen Faktoren soweit berücksichtigt, als dies zum Verständnis des politischen Geschehens nötig ist. Dadurch erhält das Werk eine starke innere Gesdilossen-heit, und es scheint mir durchaus richtig, daß der Gang der Erzählung nicht durch dazwi-schengeschobene wirtschafts- und kulturge-schiditiiche Kapitel unterbrochen, sondern diese in einen dritten Band verwiesen wurden. Wenn Hantsch im Nachwort meint, daß manche Beurteiler eine stärkere Berücksichtigung der Landesgeschichten fordern würden, so könnte ich diese' Ansicht nicht teilen. Sicherlich ist eine genaue Kenntnis der Geschichte der österreichischen Länder für das geschichtliche Verständnis des heutigen Österreich unentbehrlich. Es ist eine politische und pädagogische Frage, ob etwa im Unterricht der Geschichte der Länder, aus denen jetzt Österreich besteht, oder der Geschichte der Großmacht Österreich-Ungarn, die zwar das heutige

Österreich einschloß, aber doch weit darüber hinausreichte, ein breiterer Raum zugewiesen werden soll. Keinesfalls aber lassen sich beide Aufgaben in einem Buch erledigen. Das hat Hantsch richtig erkannt und danach gehandelt. So erhält sein Werk eben jene innere Geschlossenheit, von der schon die Rede war.

Dieser Verzicht auf kultur- und landesgeschichtliche Exkurse entspringt eben jener Eigenschaft, die wir an Hantsch' Buch am meisten rühmen möchten. Es ist das Werk eines wirklichen Geschichtsschreibers. Daher jene Selbstbegrenzung auf das zentrale Thema, der Geschichte der Großmacht Österreich-Ungarn, daher aber auch die in breitem Strom dahinfließende Erzählung des Geschehens, der nur Kenner die Verarbeitung einer sehr umfangreichen Literatur und mannigfache Forschungsarbeit in noch ungeklärten Einzelfragen anmerken werden. Daher aber auch der Wille zur Objektivität, der überall zutage tritt, eine Objektivität, die alles andere als Standpunktlosigkeit ist. Die katholisch-konservative Haltung des Verfassers ist stets deutlich ausgesprochen und gibt so auch dem Andersdenkenden die Möglichkeit, die Darstellung an seinen Maßstäben zu prüfen. Ein Mäkeln an Einzelheiten, die man da und dort anders sehen mag, scheint uns einem Werk von diesem Rang nicht angemessen.

Schließlich sei noch auf die Weite des europäischen Gesichtspunktes hingewiesen, die das Buch kennzeichnet und die einer Darstellung einer euiopäisdien Großmacht allein den wirklichen Hintergrund geben kann. Freilich, diese „Monarchie“ war eines der eigentümlichsten politisdien Gebilde des „alten Europa“. Vielleicht wird man noch einmal dazukommen, den Untergang der Monarchie noch stärker als Teilerscheinung der seither eingetretenen Wandlungen zu begreifen. Das alte Österreich war eine monarchische Staatenunion. Mußte nicht der Ubergang Europas zur Demokratie, die höchstens eine „Sdieinmonarchie“ bestehen ließ, hier ein besonderes Gefahrenmoment bedeuten, das' in einer bestimmten außenpolitischen Konstellation zur Katastrophe führen konnte?

Wie dem immer sei, wir werden dem Verfasser dankbar sein, daß er zum erstenmal eine umfassende Geschichte der österreichischen Großmacht geschrieben hat, die in ihrer Eigenart für lange Zeit ihre Gültigkeit bewahren wird.

Univ.-Prof. Dr. Otto B r u n n e r

Kriegskinder. Von Dorothy B u r 1 i n g-h a m und Anna Freud. Imago Publishing Co. Ltd., London 1949. 80 Seiten.

Die Autorinnen, von denen die letztere die Tochter des berühmten Sigmund Freud ist, erweisen sich in diesem kleinen, doch sehr konzentrierten Büchlein infolge ihrer tiefenpsychologischen Betraditungsweise jeder Art von orthodoxer Psychologie, wie sie leider an unseren Universitäten noch gang und gäbe ist, haushoch überlegen. Die Autorinnen geben einen Bericht über ihre Erfahrungen mit Kindern, die infolge d,r Kriegsereignisse von ihren Eltern getrennt und in Anstalten gebracht wurden. Die Beobachtungen und die aus ihnen gezogenen Schlüsse sind sehr gut, die gesamte theoretische Sicht glänzend.

Es wird langsam Zeit, daß auch die katholische Pädagogik solche Untersuchungen zur Kenntnis nimmt und sie verarbeitet, anstatt daß sie sich infolge verdrängter Glaubenszweifel in fruchtloser Kritik gegenüber der Psychoanalyse einfach ablehnend verhält.

Wer diese kleine Arbeit aufmerksam und unvoreingenommen liest, wird den Wert dieser Betrachtungsweise nicht verkennen können. Wir können dem Büchlein nur vollen Erfolg wünschen.

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