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Die tiefe, rauchige Stimme im Radio

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Viele kennen ihn als den „Schalldämpfer“. Nun gibt es vom viel zu früh verstorbenen Axel Corti auch eine CD und ein Buch.

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Viele kennen ihn als den „Schalldämpfer“. Nun gibt es vom viel zu früh verstorbenen Axel Corti auch eine CD und ein Buch.

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Zu einer Zeit, da in heimatlichen Küchenstuben längst die berühmten Günther Ändersschen „Wasserhähne der Kultur“, die Radios installiert worden waren, trat ein Filmregisseur auf den Plan, um Moral, Feingefühl und Sprachsentiment via Äther in Haushalte zu tragen. Sein Name war Axel Corti.

War Mutters sonntäglicher Mittagstisch abgeräumt, blieb oft nur die gravierende Frage, die zum Familienschisma führen konnte: Sollte man ihn aufdrehen, den kulturellen Wasserhahn und sprudeln lassen, sollte man ihn hören, den „Schalldämpfer“? Verträgt sich mittägliche Magenmassage mit intellektueller Kopfmassage? Ja, und heute kann man es sagen, sie tat es, ein jedes Mal erneut, mit selbiger Wucht und präziser Schärfe, immer, ‘ wortgeladen-still, unschmeichelhaftschmeichelnd, fest und grazil. War es die Stimme, dieses kehlig-rauhe Timbre, oder der Duktus, der anzog. Dieses hastige, nach vorne taumelnde Stolpern über die eigenen Satz- jäufe und dann das jähe Innehalten? Plötzlich, unvermittelt, unmittelbar. Dabei niemals strauchelnd, sondern ganz, ganz aufrecht.

EINE SCHANDE FÜR DEN ORF

Anzumerken ist: Es ist unverständlich, daß diese akustischen Gustostücke im ORF nach einem Jahr Aufbewahrung per Generalerlaß aus dem Archiv gelöscht wurden, ohne groß mit der Wimper zu zucken.

Für die im April erschienene Cor- ti-CD-Edition (eine von vier CDs wurde dem Schalldämpfer gewidmet) mußten Bestände privater Sammler, Hörfunk-Liebhaber und der Witwe Corti angerührt werden.

Aus 2.000 vorhandenen Manuskripten wurden nun 38 druckfeste Texte ausgewählt und erstmals - vermutlich nicht ganz im Sinne des Urhebers schriftlich zu Buche gepreßt. Sie belegen schwarz auf weiß: Corti ging einen Lebensweg des gewaltfreien Widerstands gegen alles, was opportun, über Maßen tradiert und unzeitgemäß war. Ein Stachel waren dem gebürtigen Pariser nationale Dumpfheit, provinzielle Besserwisserei und hausbackene Gemeinheit. Gegen diese Windmühlen focht er an, im Wissen des Intellektuellen, daß er verlieren mußte.

Unvergessen seine Club-2-Sitzun- gen, die nie langweilig wurden; oder seine Eröffnungsrede bei den Österreichischen Filmtagen in Wels 1986 oder ganz zuletzt — wer sie nicht erlebt hat, konnte sie im „Profil“ nachlesen — seine Ansprache an der Seite von Helmut Schüller anno 1992 bei der Antirassismusveranstaltung am Heldenplatz kurz vor der Lichterkette, als Corti in gewohnt trefflicher Art von „Angstbeißern“ sprach, die Xenophobie schüren und den Angstlosen angst machen.

Freilich war Axel Corti nicht ausschließlich Synonym für Radio, er war zugleich Filmer, Essayist, Für- und Gegensprecher, Moderator (und dennoch nie Moderator), aber für die breite Öffentlichkeit (und jeder hat ihn irgendwann einmal „überhört“) war er vor allem die „Radio-Stimme“. Corti war untrennbar mit der Sendung „Der Schalldämpfer“ verbunden. Daß es nun auch ein Buch zu und von ihm gibt, stimmt freudig.

DER SCHALLDÄMPFER

Von Axel Corti

Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 1994.

190 Seiten, öS 298,-.

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