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Keine aktive Außenpolitik mehr

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Von solchen persönlichen Gründen unabhängig, kommt die Gegenwart einem britischen Außenminister nicht entgegen und läßt ihn sich nicht zu einem „großen“ Mann entfalten. Diese Meinung ist hier schon öfters vertreten worden und soll bei dieser Gelegenheit wiederholt werden: Großbritannien ist rein machtmäßig nicht mehr in der Lage, die Außenpolitik aktiv zu bestimmen; sie kann sich nur der von anderen Mächten hervorgerufenen außenpolitischen Lage passiv bestmöglich anzupassen suchen, wobei sie die wirtschaftlichen Grenzen des Landes stets berücksichtigen muß. An dieser Tatsache wird auch die temperamentvolle Persönlichkeit eines George Brown wenig ändern. Es ist noch nicht einmal sicher, inwieweit er seiner „Europaneigung“ zum Durchbruch wird verhelfen können, zumal die eher antieuropäische Einstellung des Premierministers ja bekannt ist.

Der Wechsel im Außenministerium ist durchaus nicht auf eine Unzufriedenheit mit der Leistung Mr. Stewarts zurückzuführen. Wie schon angedeutet, sollte er eher aus der Feuerlinie der innerparteilichen Kritik an der Vietnampolitik der Regierung entfernt und somit die Lage auf dem im September stattfindenden Parteikongreß entschärft werden. Denn der Lohnstopp wird der Regierung noch genug zu schaffen geben; vielleicht erhofft man sich auch von dem eher ruhigen Michael Stewart eine Befriedung der Ge werkschaften. Jedenfalls scheint Mr. Wilson mit diesem Wechsel zweierlei zu erreichen: genügend Beschäftigung für George Brown und eine innerparteiliche Beruhigung.

Keine „Partei in der Partei“

Daß er auf eine solche zielte, geht aus der zweiten wichtigen Änderung hervor. Der eher linke Flügelmann Mr. Richard Crossman wechselte vom Wohnungsministerium, wo er wegen zu geringer Wohnbautätigkeit zunehmend kritisiert worden ist, in das Amt des Mehrheitsführers im Unterhaus (Lord President). In diesem Amt soll er in erster Linie die

Reform des Parlaments vorantreiben und die sozialistische Unterhausfraktion mit der Arbeiterpartei allgemein besser koordinieren; er soll verhindern, daß eine „Partei in der Partei“ entsteht und damit das mühsam erhaltene Gleichgewicht der vielfältigen Strömungen im englischen Sozialismus auseinanderbricht. Mr. Crossman, ein alter Mitstreiter des Parteirebellen Aneurin Bevan, ist durch die Kabinettsumbildung zu einer Art „geschäftsführender Direktor“ der Regierung und der Partei geworden. Nach Ansicht von James Margach, dem politischen Korrespondenten der „Sunday Times“, nimmt Mr. Crossman heute eine ähnliche Stellung ein wie Mr. Morrison nach 1945 in der Arbeiterpartei und Mr. R. A. B. Butler in der Konservativen Partei zwischen 1951 und 1964.

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