Radikale Langsamkeit

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Die Viennale-Retrospektive des Filmmuseums ist heuer Andy Warhol gewidmet.

Edie Sedgwick und Gino Piserchio sitzen leicht bekleidet auf einem Doppelbett, trinken Martini, rauchen Kette und streicheln zuerst einen Hund und dann einander. Gerard Malanga und Chuck Wein reden aus dem Off. Offensichtlich ohne Plan. Zufallsregie wie in "Beauty #2" ist typisch für den Filmmaker Andy Warhol. Im Zuge der VIENNALE widmet das Filmmuseum dieses Jahr die Retrospektive den Filmen aus der "Factory" (nicht zu verwechseln mit jenen, die unter der Trademark Andy Warhol entstanden sind, wie "Andy Warhols Dracula" und "Andy Warhols Frankenstein") und präsentiert damit nicht nur einen Künstler, sondern ein ganzes Kollektiv.

"Richtige Stars sind die, die etwas tun, dem man jede Sekunde zusehen kann, selbst wenn es nur eine Bewegung des Auges ist", lobte Andy Warhol Edie Sedgwick, und er wusste warum: seine Filme bestehen vor allem aus solchen Stars. Warhol schafft die Situation, schaltet die Kamera ein und verschwindet im Extremfall. Gleichbleibende Beleuchtung, starre Einstellungen, keine Schnitte. Die Kamera ist das Auge des Betrachters und die Schauspieler Mäuse im Labor, das ist Warhols Realismus. Authentischer geht es nicht. Jeder spielt sich selbst, nichts ist inszeniert, es gibt kein Script.

In Warhols Filmen versteht sich Voyeurismus als das Studieren von Mienen und Verhaltensweisen - in "Blow Job" in Großaufnahme das Gesicht eines Mannes, während unsichtbar einer an ihm verrichtet, was der Titel bereits verrät, und in den "Screen Tests" Porträts von Besuchern in der Factory, verdonnert zum drei Minuten Stillsitzen und in die Kamera schauen. Mal ist der Hauptdarsteller fünfeinhalb Stunden lang ein Schlafender, mal acht Stunden lang das Empire State Building, der radikale Umgang mit Langsamkeit zwingt zum genauen Hinschauen und steht im Gegensatz zum schnelllebigen Chic, mit dem Warhol gerne vereinnahmt wird. Oft diskutiert und selten gezeigt subsumieren die Filme einige wenig bekannte Facetten des Mythos Warhol. Für manche Vorstellungen ist der Eintritt frei.

Bis 31. Oktober

Österreichisches Filmmuseum

Augustinerstraße 1, 1010 Wien

Infos: www.filmmuseum.at

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