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Kärntens Volksgruppenradios kämpfen ums Überleben, weil ORF und Regierung ihre Unterstützung beendeten. Macht der ORF bald eigenes Minderheitenradio?

Die Kärntner Minderheitenradios Agora und Radio dva kämpfen ums Überleben. Keine neue Erkenntnis: Denn schon vor zwei Jahren stand das ehrgeizige 24-Stunden-Vollprogramm, das zwei- und mehrsprachige Sendungen auf nicht kommerzieller Basis, bzw. ein slowenisches Flächenprogramm sendet, auf des Messers Schneide. Damals versagte die Bundesregierung den beiden Sendern, die sich eine Frequenz teilen müssen (siehe Kasten), ihre finanzielle Unterstützung.

Der ORF sprang ein und finanzierte das Projekt Minderheiten Radio Kärnten. Doch damit ist seit Ende 2002 ebenfalls Schluss: Der ORF hatte wegen des neuen ORF-Gesetzes plötzlich kein Geld mehr zur Verfügung. "Seither hanteln wir uns von Monat zu Monat gerade so durch", berichtet Marjan Pipp, Geschäftsführer von Radio dva, dessen Mitarbeiter schon zweimal in einen Hungerstreik getreten sind, um die Fortführung des Sendebetriebs zu erreichen. "Dank Subventionen der Republik Slowenien konnten wir eine endgültige Einstellung des Programms von Radio dva im April noch einmal verhindern", so Pipp.

ORF-Generaldirektorin Monika Lindner kann sich mittlerweile einen eigenen fünften ORF-Kanal vorstellen, auf dem ausschließlich Programm für Volksgruppen zu hören wäre. Da aber in Kärnten keine Frequenzen mehr frei sind, müsste der ORF auf der Privat-Radiofrequenz von Agora und dva senden.

"Zynismus pur", meint der Klagenfurter Verleger Lojze Wieser, Obmann von Radio Agora, der sich aber eine Vermietung oder Verpachtung von Sendezeiten an den ORF vorstellen könnte. "Das Privatradiogesetz verbietet uns aber, mehr als 50 Prozent des Programms zuzukaufen'. Der ORF muss sich im Klaren sein, dass dieses Sendemodell nur funktioniert, wenn Radio Agora und Radio dva weiter bestehen können, auch wenn wir dann nachts senden müssten." Zum Überleben braucht Radio Agora ein Jahresbudget zwischen 700.000 und einer Million Euro. "So günstig würde der ORF nie mehr an die Erfüllung seiner Minderheitenverpflichtungen kommen".

Warten auf den ORF

Die ORF-Lösung: Ein Arbeitskreis wurde installiert. ORF-Pressesprecher Günther Kallinger: "Die Verhandlungen, bei denen auch Vertreter der Volksgruppen eingebunden sind, sollen noch vor dem Sommer abgeschlossen sein. Der ORF will schnell eine Lösung finden, weil er das Problem ernst nimmt." Eine Arbeitsgruppe mit Signalwirkung also. "Schließlich wollen wir nicht jede Woche eine Depesche aus dem Süden bekommen."

Agora-Chef Lojze Wieser: "Es läuft wohl darauf hinaus, dass der ORF ein eigenes Minderheitenprogramm machen wird, wenn es zu einer Rundfunkgebühren-Erhöhung kommt." Wenn der Stiftungsrat bei seiner Sitzung am 12. Juni diese Erhöhung beschließt, könnte es ab Anfang 2004 bereits ORF-produziertes Volksgruppenradio geben. "Dennoch: Zuerst müssen wir einmal dieses Jahr überleben", mahnt Wieser. Anfang Mai mussten sechs Stellen bei Agora gekündigt werden, derzeit gibt es nur mehr eine bezahlte Mitarbeiterin. Das Programm wird durch die ehrenamtliche Arbeit freier Radiogruppen aufrechterhalten.

Radio dva-Chef Marjan Pipp: "Im Vordergrund steht für uns ein ganztägiges slowenisches Programm. Ob das von uns oder von anderen produziert wird, ist zweitrangig. Der ORF wird sich dem Problem stellen müssen. Schließlich handelt es sich beim Volksgruppenradio um einen klassisch defizitären öffentlichen Auftrag, der aus den Rundfunkgebühren bezahlt werden muss".

Infos: www.agora.at, www.radio-dva.at

Slowenische Radios in Kärnten

Der Verein "Arbeitsgemeinschaft offenes Radio" (AGORA) sendet unter dem Namen Radio Agora und als einziges Freies Radio in Kärnten seit 1998 ein zwei- und mehrsprachiges nicht-kommerzielles Programm, gedacht als Brückenfunktion zwischen der Bevölkerung und der slowenischen Minderheit. Die Schwerpunkte: Kultur, Literatur, Musik abseits der Hitparaden, volksgruppenspezifische Themen. Gemeinsam mit dem kommerziellen slowenischen Programm von Radio Korotan (2001 umbenannt in Radio dva) teilt man sich eine Frequenz, die der gemeinsamen "Agora Korotan AKO Lokalradio GmbH" bis 2011 zugeteilt wurde: Agora sendet von 10 bis 14 Uhr und von 18 bis 2 Uhr, dva von 2 bis 10 Uhr und von 14 bis 18 Uhr.

Geändert wurde diese Aufteilung, als der ORF 2001 die Finanzierung der Sender von der Bundesregierung übernahm: Unter dem Namen Radio dva wurde ein slowenischsprachiges Flächenprogramm von 6 bis 18 Uhr gesendet. Radio Agora sendete sein Programm von 18 bis 6 Uhr früh, Radio Korotan verzichtete auf die Ausstrahlung eines eigenen Programms. Verwirrung entstand um den Namen von Radio Korotan, der Ende 2001 in Radio dva geändert wurde. Seither herrscht der Irrglaube, mit Radio dva sei immer noch das Gemeinschaftsprogramm von ORF, Agora und Korotan gemeint. Doch seit dem Aus des ORF-Projektes Ende 2002 kehrten beide Sender wieder zum ursprünglichen Sendeschema zurück. MG

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