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Auf dem Meer der Zeit

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Der Regisseur und Produzent Stanley Kramer zählt zu den Ausnahmeerscheinungen der amerikanischen Filmbranche, denn in allen seinen Filmen wird eine hohe ethische Gesinnung spürbar. Er dreht nicht Filme um ihrer selbst willen, sondern um eine These zu vertreten, um Probleme zur Diskussion zu stellen, und immer sind es im letzten menschlich-gültige Fragen, die ihn bewegen. „Das Narrenschiff“ schildert eine bunt zusammengewürfelte Schar von Menschen der dreißiger Jahre auf der Fahrt eines zweitklassigen Passagierschiffes von Amerika nach Deutschland, jenem Deutschland, in dem eben Hitler seine infernalischen Ideen zu verwirklichen beginnt. Die Menschen dieses „Narrenschiffs“ kommen aus allen möglichen Winkeln der Erde, und ähnlich diffus sind auch ihre Probleme, Erwartungen und Resignationen. Aus dem großen Mosaik kleiner, vielfältiger Schicksale entsteht das Bild einer Zeit, ihrer Menschen und ungelösten Problemen. — Was den Film aber besonders sehenswert macht, sind die eindrucksvollen darstellerischen Leistungen sorgfältig ausgewählter Schauspieler. Oskar Werner, Simone Signoret, Vivian Leigh, Lee Marvin, Jose Ferrer und nicht zuletzt der liebenswerte Heinz Rühmarm als gutgläubiger Jude, der seine deutsche Heimat liebt, für sie im ersten Weltkrieg tapfer gekämpft hat und nun nicht glauben kann, daß Hitlers Antisemitismus mehr sein könnte als eine propagandistische Entgleisung. Es ist ein starker und eindringlicher Film nach einem vielgelesenen Roman von Katherine Anne Porter, die in diesem Buch eigene Beobachtungen und Erlebnisse anläßlich einer Schiffsreise niederlegte. Die dezente, aber immer dichte Regie macht diesen ausgezeichnet gespielten Streifen zu einem Erlebnis.

Der eigenwillige deutsche Regisseur Bernhard Wicki gestaltete den amerikanischen Schwarzweißfilm „Morituri“, der ebenfalls die Fahrt eines Ozeanschiffes schildert, aber neun Jahre später als das „Narren-schiff“, mitten im Kriege, nachdem alle bösen Ahnungen grauenhafte Wirklichkeit geworden sind. Aber hier geht es weniger um die Geisteshaltung einer Zeit, sondern um den reißerhaften Effekt des Agentenabenteuers. Marlon Brando, als SS-Offizier verkleidet, hat Auftrag, die kriegswirtschaftlich wichtige Fracht dieses deutschen Blokadebrechers zu versenken. Yul Brynner ist der aufrechte deutsche Kapitän des Frachters. Die spannende Handlung rollt zwar diszipliniert und abseits der augenblicklich so gängigen Agenten-filmschablone ab, doch der Krieg ist hauptsächlich willkommener und photogener Hintergrund mannesmutiger Abenteuer.

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