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Der engagierte Philosoph

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Am vergangenen Mittwoch ist in Basel Karl Jaspers dm Alter von 86 Jahren verstorben. Jaspers stammte aus Oldenburg, studierte, lebte und lehrte bis zum Jahr 1948 in Deutschland. Auch vom neutralen Boden der Schweiz aus waren seine Augen stets auf Deutschland und die Deutschen gerichtet. Ihnen galt sein Denken, seine Sorge.

1913 habilitierte sich Karl Jaspers mit einer Arbeit aus dem Gebiet der Psychopathologie an der Universität Heidelberg, 1919 veröffentlichte er das Buch „Psychologie der Weltanschauungen“. Eine Zäsur verursachten in seinem Denken zwei existentielle Erlebnisse: die Lektüre Kierkegaards und die Begegnung mit Max Weber. Seither ist für Jaspers die Aufgabe der Philosophie Existenzerhellung. Auf die Menschen versucht der Philosoph durch die Aufstellung ethischer Postulate zu wirken. Jaspers schreibt lebendig, allgemeinverständlich. So wird die in einer populären Buchreihe 1931 erschienene Studie über „Die geistige Situation der Zeit“ zu einem Riesenerfolg.

Nach 1933 bleibt Jaspers zwar per sönlich unbehelligt, erhält aber bald Schreib- und Redeverbot. Nach Kriegsende versucht er von Heidelberg aus die Universität, ja das gesamte öffentliche Leben zu reformieren. Die Basis einer solchen Erneuerung sind für Jaspers die Bibel :umd,„difi.aAlce.;—■ Aber o Jaspers engagiert sich auch in politischen TagesfragenV Eine Fülle von Broschüren zeugt davon. Mit seinen offenen, kritischen und mahnenden Worten schuf er sich auch viele Feinde. Diese triumphierten, als er Deutschland verließ und seinen Wohnsitz nach Basel verlegte. Wahrscheinlich war ihm die Atmosphäre in seiner Heimat unerträglich geworden.

Aber auch vom Ausland her hörte er nicht auf, zu kritisieren und zu mahnen, zuletzt in der Schrift „Wohin treibt die Bundesrepublik?“. Nach Reinhold Schneiders Tod haben Deutschland und die Deutschen nun den zweiten großen Mann verloren, der so etwas wie ein moralisches Gewissen der Nation war. — Die Welt aber, aus der viele Schüler, und zwar nicht nur Philosophen, sich um Jaspers scharten, betrauert einen großen Mann der Wissenschaft.

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