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Digital In Arbeit

6-Stunden-Tag?

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Die Diskussion um eine eventuelle Arbeitszeitverkürzung „bereicherten“ die SPÖ-Frauen letzte Woche durch die Forderung nach dem Sechsstundentag für Frauen und Männer. Daß sie damit auch in den eigenen Reihen auf Widerstand stießen, kann nicht überraschen: Ist das erklärte Ziel des Gewerkschaftsbundes doch die Verlängerung des Urlaubs und oder die Herabsetzung der Lebensarbeitsdauer, nicht aber die Einführung der 35- oder gar der 30-Stunden-Wo- che.

Ohne hier auf die Frage ein- gehen zu wollen, ob eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit (in welcher Form auch immer) überhaupt soziologisch sinnvoll und wirtschaftlich tragbar ist’, spricht meiner Meinung so gut wie alles gegen eine weitere generelle Verkürzung der täglichen Arbeitszeit.

Ein Argument dagegen ist den SPÖ-Damen auf ihrem Kongreß selbst eingefallen: Ein Sechsstundentag wäre für viele Männer vermutlich eine unwiderstehliche Versuchung, zwei Berufe auszuüben (wie es ja dort, wo jetzt schon sechs Stunden als voller Arbeitstag gelten, üblich ist). Womit sich sowohl der erhoffte familienfreundliche als auch der beabsichtigte arbeitsmarktentlastende Effekt ins Gegenteil kehren würden.

Ein Standardeinwand gegen eine weitere Verkürzung der täglichen Arbeitszeit ist, daß dann der Weg zur Arbeit und die jeweilige Anlaufphase einen unverhältnismäßig hohen Prozentsatz der tatsächlichen Leistungszeit ausmachen. Für Pendler könnte sich im Einzelfall ein geradezu groteskes Verhältnis ergeben.

Ein noch wenig beachteter Aspekt scheint mir der Widerspruch zur gleichfalls von sozialistischer Seite erhobenen Forderung nach Verringerung der Einkommensunterschiede zu sein.

Während es bei manuellen Tätigkeiten zumindest denkbar ist, mit einem Sechsstundentag das Auslangen zu finden und einem Schichtbetrieb (denn auf einen solchen müßte in kapitalintensiven Branchen ein Sechsstundentag unweigerlich hinauslaufen!) wohl psychologische und physiologische, aber keine unüberwindlichen organisatorischen Hindernisse im Weg stehen, ist die Situation bei nicht manuellen Tätigkeiten weit schwieriger.

Heute schon finden nur wenige „Himarbeiter“ mit dem Achtstundentag das Auslangen. Ihre Tätigkeit ist meist schwer teilbar und nur bis zu einem bestimmten Punkt delegierbar. Die unerläßliche Informationsgewinnung frißt heute trotz modernster computergestützter Systeme einen immer größeren Teil ihres Arbeitstages auf.

Ergebnis: Es besteht bereits heute eine erkleckliche Arbeitszeitdiskrepanz zwischen Hand- und Himarbeitem, die selbstverständlich auch in entsprechenden Einkommensunterschieden ihren Niederschlag findet. Eine weitere Verkürzung der offiziellen Arbeitszeit würde diese Diskrepanz vergrößern und eine Annäherung der Einkommen in noch weitere Feme rücken.

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