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Als Trägerrakete für Wien

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Eines ist unbestritten: Wien und die Ostregion - und daran än- dert auch die Öffnung der Ostgren- zen nichts - benötigen dringend eine wirtschaftliche und strukturelle Modernisierung, um den ökonomi- schen Anschluß am Weg nach (West)Europa nicht zu verpassen. Ob dafür eine Weltausstellung die einzige „Trägerrakete“ ist, steht nicht zur Debatte - eine andere Alternative ist nicht in Sicht.

Eine Weltausstellung wird nicht neu erfunden. Sie ist ein „Produkt“, das 1851 mit der ersten Weltaus- stellung in England „erfunden“ wurde. Ein „Produkt“, das natür-

lieh Veränderungen und Anpassun- gen erlebte und heute klare Rah- menbedingungen hat - mit perso- nellen und strukturellen Kontinui- täten-, und bestimmte Erwartungs- haltungen provoziert.

Dieses „Produkt“ Weltausstel- lung mit seinen Ritualen der Teil- nahmen, mit seinen messeartigen Spektakeln hat mit dem, was mit Erkenntnis- und Erlebnisfähigkeit durch Kultur bezeichnet wird, vor- erst einmal nichts zu tun. Außer - das ist wichtig - man anerkennt eine Erweiterung und Veränderung des Kulturbegriffes. Denn wenn heute von Kultur geredet wird, müssen wir auch ihre industrielle Ausweitung, ihre Verquickung mit Freizeit und Unterhaltung beden- ken. Allein die Milliarden, die der- zeit europaweit in Freizeit-Parks investiert werden, schaffen bis 1995 eine völlig neue Kulturlandschaft.

Aus diesem Grunde hat die Wie- ner Kulturstadträtin Ursula Pasterk einen Kulturbeirat einberufen, der sich diesem heiklen Prozeß zwi- schen dem Ereignis Weltausstellung und den daraus resultierenden Veränderungen der Kultur Wiens widmet. Mitglieder dieses Kuljur- beirates sind namhafte und profi- lierte Personen des kulturellen Lebens: Hermann Beil, Wolfgang Kos, Vittorio Magnago-Lampugna- ni, Alexander Pereira, Cathrin Pich- ler, Peter Weiermair; ich bin mit der Koordination dieses Beirates betraut.

Schon in den ersten Beratungen dieses Beirates wurde das komple- xe Verhältnis zwischen der Stadt Wien als einer der beiden Veran- staltungsorte und der Weltausstel- lung thematisiert. Wien ist unbe- streitbar eine Kulturmetropole, alle Entwicklungen und Maßnahmen für eine Weltausstellung an diesem Ort haben diese „Weltkompetenz“ Wiens zu berücksichtigen und sind auf sie angewiesen. Oder: Wenn die „Hardware“ einer Weltausstellung in Wien die „Software“ der Kultur dieser Stadt vernachlässigt oder falsch und unverantwortlich nutzt, bleibt sie eine leere und sinnlose Maschine und endet in einer ekla- tanten Fehlinvestition. Das „Pro- dukt“ Weltausstellung kann das „Produkt“ Wien nicht anbieten und verkaufen, ohne mit der Kultur dieser Stadt zu argumentieren.

Wien, auch seine Kultur, laden 1995 zur EXPO Gäste ein, empfan- gen die Welt. Die Stadt wäre ein schlechter und wenig selbstbewuß- ter Gastgeber, würde sie ihre Woh- nung umstellen und neu möblieren. Traditionelle Kultur dieser Stadt soll deshalb dort sein, wo sie immer ist. Die Staatsoper in der Staatso- per, das Burgtheater im Burgthea- ter, und die bildende Kunst wird sich im neuen „Museumsquartier“ des Messepalastes mit neuen Mög- lichkeiten präsentieren.

Das klingt ein wenig fatalistisch, dient aber nur der Abwehr gewis- ser Begehrlichkeiten, der traditio-

nellen Kultur dieser Stadt ihre Originalität zu rauben und sie den Verwertungszwängen des Weltaus- stellungs-Spektakels zu unter- werfen.Die kulturelle und geistige Herausforderung für Wien durch die Weltausstellung muß auf einer anderen Ebene stattfinden. Am Ende dieses Jahrtausends eröffnet der - hoffentlich erfolgende - öko- nomische Schub der Weltausstel- lung die Möglichkeit einer Erneue- rung dieser Stadt.

Deshalb hat der Kulturbeirat der Stadt Wien schon in seiner ersten Erklärung das allzu breite Motto der Weltausstellung „Brücken in die Zukunft“ mit der inhaltlich- kritischen Aufforderung „Was trägt noch?“ untermauert. Wien als hi- storischer Akkumulator hat sich die Frage zu stellen, womit, mit wel- chem Erbe, mit welcher tragfähi- gen Substanz es in das nächste Jahrtausend gehen will.

Das „Was trägt noch?“ könnte

neue Wege aufzeigen, um eine kri- tische Recherche einzuleiten, die alte Positionen und Gewohnheiten überprüft und in Frage stellt. Wenn Wien, und mit ihm die ganze Ostre- gion, die Weltausstellung nicht als Chance der ökonomischen, der sozialen, der kulturellen Moderni- sierung ergreift, dann wird auf lange Zeit eine unendliche Musealisie- rung Wien zu einer Geisterstadt des Städtetourismus verdammen.

Der Autor ist Koordinator des EXPOKultur- beirates der Stadt Wien.

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