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Hoffnung als Brückenpfeiler

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Es ist so gut wie sicher, so sagen die Experten, daß die nächste Weltausstellung 1995 an zwei Orten, in Wien und Budapest, stattfindet. Aus mehrfachen Gründen könnte diese Weltausstellung zu einem wichtigen Ereignis werden.

Der Ort ist gut gewählt. Was vor zehn Jahren noch undenkbar war, ist durch Glasnost und Perestrojka im Osten und durch die Entspannung zwischen Ost und West möglich geworden. Die Weltausstellung soll die Grenzen zwischen Ost und West überschreiten und in zwei Städten stattfinden, die verschiedenen Gesellschaftssystemen angehören.

Auch der Zeitpunkt trifft sich gut Er richtet unseren Blick zu-

gleich in die Vergangenheit und in die Zukunft. Ungarn gedenkt 1995 der Landnahme vor elfhundert Jahren.und Österreich feiert 1996 sein Millennium. Das ist ein Anlaß, sich auf die wechselvolle Geschichte beider Länder und des gesamten mitteleuropäischen Raums zu besinnen. Es ist dies auch Anlaß, an die Zukunft zu denken, da diese Weltausstellung kurz vor dem Jahr 2000 stattfindet.

Dem Ort und dem Zeitpunkt entspricht auch das Thema: „Brücken in die Zukunft“. Die Frage nach der künftigen Entwicklung der Welt ist brennend. Sie stellt sich in Wien und Budapest — im Herzen Europas — nicht nur in bezug auf die weiteren Entwicklungen in Ost und West, sondern auch in bezug auf den Nord-Süd-Konflikt. Denn beides hängt zutiefst zusammen. Außerdem ist Wien eines der drei Zentren der Vereinten Nationen. Welche Brücken führen wirklich in die Zukunft?

Diese Weltausstellung soll mehr sein als ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Entwicklungen, auch mehr als ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, an dem die einzelnen Länder der Erde ihre Prestigeobjekte ausstellen, und auch mehr als eine erfolgreiche Werbung für den Fremdenverkehr. So wichtig diese einzelnen Aspekte auch sein werden, sie schaffen allein noch keine Brücken in die Zukunft.

Eine Weltausstellung, gerade an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt, soll sich auch mit der geistigen und kulturellen Entwicklung der Welt auseinandersetzen. Es geht nicht nur um die wirtschaftlichen, sondern auch um die geistigen Grundlagen für die Welt von morgen. Eine wesentliche Brücke in die Zukunft ist die Hoffnung. „Die Welt gehört jenen, die die größere Hoffnung anbieten“ (Teilhard de Chardin). Wer kann sie anbieten?

Wenn wir die Ziele der Weltausstellung so weit fassen, dann gibt es in ihr auch für die Religionen einen Ort und eine Aufgabe. Die Teilnahme der Religionen kann sich dann nicht auf die Ausstellung religiöser Kunstwerke aus der Vergangenheit und Gegenwart oder auf das Anbieten von Gottesdiensten für die Besucher der Ausstellung aus aller Welt beschränken.

Die zentrale Frage lautet vielmehr: Wie können die Religionen, oder für uns Christen gesprochen, wie kann das Christentum an den „Brücken in die Zukunft“ mitbauen? Diese Frage war auch ein zentrales Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils, speziell der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute.

Diese Frage ist aktuell für den Osten und den Westen. Und sie wird auch aktuell für die Länder der Dritten Welt.

Sie ist aktuell für die atheistischen Systeme, die in oft schmerzlicher Erfahrung ihre Grenzen erleben und auch erkennen müssen, daß die Religion nicht, wie erwartet, von selbst abstirbt. Denn es bleiben, wie es das Zweite Vatika-num in seiner Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen ausdrückt, „die ungelösten Rätsel, die heute wie in alten Tagen die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen: Was ist der Mensch?

Die „ungelösten Räfeel“

Was ist der Sinn und Zweck unseres Lebens? Was ist das Gute, was ist die Sünde? Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es? Was ist der Weg zum Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltimg nach dem Tode? Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?“

Die Frage: In welcher Weise können die Religionen an den Brücken in die Zukunft mitbauen? ist aber auch eine Herausforderung der Religionen selbst. Denn sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß aufgrund einer weltweiten Säkularisierung viele Menschen den Zugang zu den Antworten der Religionen, auch des Christentums verloren haben.

Es muß zu einer neuen fruchtbaren Begegnung zwischen dem Christentum - nur für das Christentum zu sprechen fühle ich mich zuständig - imd den heutigen Menschen kommen. Nur so können wir Christen mitbauen an den Brücken in die Zukunft. Und es gibt dazu viele Ansätze.

Ich weiß nicht, wie man eine solche Thematik in eine Weltausstellung einbringen und darstellen kann. Aber es lohnt sich, darüber in Wien wie in Budapest nachzudenken.

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