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Mehr Chancen für Europas Jugend

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Wir müssen uns heute immer wieder die Frage vorlegen, ob wir genug tun, .um morgen bestehen zu können. Hiebei muß die bestmögliche Ausbildung unserer Jugend an vornehmster Stelle stehen. Es ist ja zumindest verständlich, wenn in einem Teil der europäischen Jugend heute Unruhe besteht. Diese Unruhe wurzelt auch in der Sorge, ob unsere wissenschaftlichen Anstalten, unsere ganze technische, wirtschaftliche und organisatorische Struktur die jungen Menschen tatsächlich und bestmöglich in die Lage versetzt, ihre Zukunft im kommenden Entscheidungsjahrzehret zu sichern.

Da in allen Ländern nunmehr die Ref orm der hohen Schulen im Gange ist, glaube ich, daß es an der Zeit wäre, bei dieser Reform zu einem Stück bester Tradition der europäischen Hochschulen zurückzuflnden, nämlich zur Internationalität. Wichtiger als eine europäische Universität scheint mir die Europäisierung unserer Universitäten und Hochschulen durch eine Mindestampas- sung der Lehrpläne und eine Anerkennung der Studienzeugmsse zu sein.

Hand in Hand mit der Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem, technologischem und kulturellem Gebiet muß die Erweckung eines neuen europäischen Geistes in unserer Jugend gehen. Nur durch Taten und unser Beispiel werden wir unsere jungen Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker davon überzeugen, daß es sich lohnt, alle ihre Kräfte für den Aufbau einer neuen europäischen Ordnung einzusetzen. Nur wenn die verantwortlichen Staatsmänner und Abgeordneten handeln, werden wir das Feuer des Idealismus für diese neue Ordnung in unseren jungen Menschen wieder entfachen kennen. Dazu gehört auch ein möglichst enger Kontakt der europäischen Jugend untereinander. Der Beschluß des Europarates, an seinem Sitz ein Jugendzentrum zu gründen, an dem europäische Jugendführer in einem neuen Geist ausgebildet werden können, ist für uns ein Ansporn, folgendes Projekt zur Diskussion zu unterbreiten: Als ein neutrales Land in Mitteleuropa, an der Nahtstelle zweier ideologischer Blöcke gelegen, bietet Österreich den Jugendorganisationen aller europäischen Staaten aus Ost und West die Gründung einer internationalen Jugendaka- demae in Österreich an. Junge Menschen aus Ost und West sollen dort Gelegenheit haben, gemeinsame und für unseren Kontinent wichtige Probleme im europäischen Geist der Brüderlichkeit zu diskutieren und Grundlagen für die Gestaltung ihrer Zukunft zu erarbeiten. Wir könnten als Europäer das Andenken eines der größten europäischen Menschen, des Prinzen Eugen von Savoyen, nicht besser ehren, als dieser Akademie ein Gebäude als Heimstätte im Weichbild Wiens anzubieten, dessen Bauherr der große Savoyer war. Wer auf die Vergangenheit blickt, wer mit letzter Kraft um einen Rest lebendiger Vergangenheit rauft, verpaßt mit Sicherheit die Zukunft. Wenn wir auf unseren Leistungen ausruhen, wenn wir das Tempo unserer Entwicklung bremsen, dann ist nicht nur unsere wirtschaftliche Zukunft, sondern auch unsere Freiheit in Gefahr. Wir sind aufgerufen, eine neue Ordnung zu schaffen, in der der Mensch als mündiger Bürger Herr über sein Geschick ist. Auf unserer Reaktion auf die Herausforderung der Zukunft lastet die Verantwortung für deren Meisterung. Dazu müssen wir auf die Jugend hauen, nicht nur auf ein junges Alter, sondern auch auf eine junge Geisteshaltung. Wenn es ein großes europäisches Ärgernis gibt, an dem wir alle irgendwie mitschuldig sind, dann ist es dieses: Wir haben aus vielen verschiedenen Gründen in unseren Ländern noch nicht genug getan, um unsere Jugend, die Jugend Europas, frühzeitig in die Mitverantwortung für die Gegenwart, für die nahe und für die ferne Zukunft zu engagieren. Es ist dabei nicht genug, zu verstehen oder klar zu sehen. Wir müssen vielmehr den Graben zwischen den Generationen ülberbrük- ken. Das Verständnis zwischen den Generationen ist für unsere europäische Leistungsgemeinschaft die Brücke zur Zukunft. Ein in seiner Jugend sich immer wieder erneuerndes Europa kann seine Zukunft auf einem zielstrebigen Willen, auf Mut und nicht auf Zaghaftigkeit, auf Tatkraft und nicht auf Bequemlichkeit aufbauen. Wir sind aufgerufen, die Ordnung einer neuen europäischen Leistungsgemeinschaft zu errichten. Ein neues europäisches Bewußtsein ist es, das es uns ermöglichen sollte, unser Ziel zu erreichen. Gehen wir an die Arbeit, packen wir zu, gehen wir an das Zuschütten der Gräben, bauen wir Brücken zwischen Ländern und Generationen und tragen wiir dazu bei, daß die große ewige Idee Europa im kommenden Schicksalsjahrzehnt mit Hilfe junger Hände und Herzen in der Erkenntnis unseres abendländischen Auftrages verwirklicht wird.

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