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Mittelmaß genügt nicht!

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Jeder von uns, der Verantwortung in dieser Republik trägt, ja jeder Mitbürger fühlt es, daß wir gegenwärtig durch Einflüsse, die aus der Weltwirtschaft auf uns zukommen, und durch Schwierigkeiten, die auch bei uns entstanden sind, uns wirtschaftlichen Problemen großen Ausmaßes gegenübersehen; diese Probleme gibt es in der ganzen Welt, in Europa, und zwar im westlichen und im östlichen Europa, in ganz Österreich.

In einer solchen Zeit ist Sparsamkeit geboten; Sparsamkeit bei den öffentlichen Haushalten, angefangen vom Bund, über die Länder bis zu den Gemeinden, überlegtes Geldau^geben auch in den einzelnen Familien und in den einzelnen Unternehmungen. Aber trotz dieser gebotenen Sparsamkeit scheint es mir, daß wir bei den Schulen und Aüsbildungsstätten nicht in ein kleinliches Sparen verfallen dürfen, denn die Investitionen auf dem Schul- und Ausbildungssektor sind unabdingbar, wenn wir eine konstanter bleibende, eine bessere Zukunft für unsere Heimat erreichen wollen.

Wir können als industrialisiertes Land ohne Meeresküste hier in der Mitte Europas in der Zukunft nur dann wirklich bestehen, wenn wir wirtschaftliches Wachstum haben, wenn wir in Österreich intelligente Produkte erzeugen, wenn es uns in Österreich gelingt, jene Betriebsformen zu schaffen, die in weiter Voraussicht und unter Anwendung aller modernen Erkenntnisse Gewähr dafür bieten, daß auch Schwierigkeiten, die es immer im Wirtschaftsleben geben wird, überstanden werden. Es muß uns in Österreich auch gelin gen, ein weitschauendes Grundkonzept auf Jahrzehnte hinaus für die Wirtschaft unserer Republik zu erarbeiten.

Sie, meine jungen Mitbürger,... sind es, welche in sich selbst die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, daß wir in der Zukunft in der Lage sind, im großen Wettkampf, der sich verstärken wird, auch wirklich zu bestehen.

Sie erleben nicht mehr jene sorglosen Zeiten, die noch vor ein oder zwei Jahrzehnten jene hatten, die vor Ihnen in der /Schule waren. Es waren jene Zeiten, in denen mit dem Abgangszeugnis auch bereits eine Anstellung verbunden war. Sie werden sich Ihre Anstellung, Ihren Beruf bereits durch Ihre Leistung erarbeiten müssen.

Sie lernen nicht mehr für die Schule, und Sie lernen auch nicht mehr für die Eltern, sondern was Sie hier lernen, glauben Sie es mir, lernen Sie für sich: für Ihr Leben und dafür, daß Sie unter härteren wirtschaftlichen Bedingungen durch Ihre erhöhten Kenntnisse,durch Ihre erhöhten fachlichen Qualifikationen auch wirklich bestehen können.

Allerdings, ganz allein nur Sie und Ihre Zukunft berührende Privatsache ist das Lernen auch nicht; denn Sie sind und bleiben Teil unseres österreichischen Volkes; Sie bestimmen daher als Teil dieses Volkes auch das Ganze mit, das heißt auch die Qualität des österreichischen Volkes. Und nicht nur bei Menschen wird nach Qualität gefragt, sondern auch bei Völkern! Sie sind also auch heute schon, ob Sie jetzt zuhören oder nicht, mitverantwortlich für unsere Republik heute und noch mehr für unsere Republik morgen.

Die Qualität dieser Republik und damit die Qualität des Lebens in Österreich bestimmt sich auch nach dem Umfang des Wissens und Könnens, das Sie sich und das sich alle anderen jungen Menschen in unserem Land erwerben. Sie bestimmt sich auch nach der politischen Verantwortung, die Sie bereit sind, zu übernehmen. Ich denke dabei gar nicht in erster Linie an die große politische Verantwortung etwa als politischer Mandatar. Politische Verantwortung tragen Sie auch im Zusammenleben im kleinen Rahmen, in der Klasse, in der Familie, in der Gemeinschaft, an der Sie freiwillig teilnehmen.

Ich bitte Sie auch, versuchen Sie nicht, mit einem Weg der Mittelmäßigkeit durchzukommen. Mit der Mittelmäßigkeit kommt man durch in Zeiten, die sanft dahinfließen. Diese Zeiten wird es für eine geraume Zeit bei uns in Europa und schon gar hier in der Mitte Europas nicht geben. Diese ruhigen Zeiten sind, es sprechen alle Anzeichen dafür, vorbei. Eine Mittelmäßigkeit wird nicht ausreichen, um Österreich als das zu erhalten, was es gegenwärtig ist.

Noch eine Bitte habe ich an Sie: Wenn Sie manchmal im öffentlichen Leben dies und jenes anekelt, glauben Sie mir, auch uns, die wir politische Verantwortung tragen, ekelt manchmal etwas an - dann ist es keine Antwort darauf, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen, sondern dann ist die allein richtige Antwort, sich persönlich zu engagieren und zu versuchen, es besser zu machen; besser zu machen, damit auch das öffentliche Leben in allem so sei, wie es sich Sie, wie es sich jeder einzelne Bürger so gern vorstellen möchte!

Seien Sie dabei nicht allzu großzügig mit der Kritik an dem bestehenden Heute und an jener Generation, die heute unmittelbar in politischer Verantwortung steht. Es ist immerhin jene Generation, die, dieses Österreich, die diese unsere Republik aus dem Desaster des Jahres 1945 herausgeführt hat...

Vergessen Sie auch nicht, daß Österreich, das in den Jahren 1918 bis 1938 das kranke Kind Europas gewesen ist, heute ein tatsächlich angesehener Staat ist. Dieses Österreich, so wie es heute ist, hat in der Welt von heute eine Aufgabe und eine Funktion. Wir sollen zwar kritisch alle Dinge anschauen, aber wir müssen mit unserer Kritik auch jenes Maß halten, das die Realitäten nicht verschiebt, sondern sie noch erkennen läßt.

Lassen Sie mich an Sie, meine geschätzten jungen Mitbürger, noch eine Bitte richten. Man hat durch die Massenmedien und durch manches, was so geschieht, oft den Eindruck, daß heute Tugenden nicht mehr zeitgemäß seien. Ja, es hat Jahre gegeben, da hat man fast nicht gewagt, dieses Wort in Gegenwart von jungen Menschen auszusprechen.

Glauben Sie mir, Tugenden bleiben zeitgemäß, über alle Generationen hinweg. Sie waren vor uns zeitgemäß, und sie werden auch nach Ihnen noch zeitgemäß sein. Was ich damit meine? Ich will und kann sie Ihnen nicht alle aufzählen, aber Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Fleiß, Treue, Sauberkeit, Opferbereitschaft, auch Vaterlandsliebe, Mitmenschlichkeit oder auch Dankbarkeit, sie gehören alle dazu!

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