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700 Millionen Europäer wollen zusammenwachsen

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Österreichs Unternehmer stehen vor gewichtigen Entscheidungen. Einerseits sollen sie EG-Reife be- weisen, andererseits dürfen sie den zukünftigen Hoffnungsmarkt im Osten nicht vernachlässigen. Wie kann die Wirtschaft diese Her- ausforderungen bewältigen?

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Österreichs Unternehmer stehen vor gewichtigen Entscheidungen. Einerseits sollen sie EG-Reife be- weisen, andererseits dürfen sie den zukünftigen Hoffnungsmarkt im Osten nicht vernachlässigen. Wie kann die Wirtschaft diese Her- ausforderungen bewältigen?

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Im 3 3. Jahr ihres Bestehens bricht die Österreichwoche diesmal über die Grenzen Österreichs hinaus ins neue Europa auf. Im Jahr des euro- päischen Umbruchs im Osten und des Aufbruchs zum Binnenmarkt im Westen, ein, wie mir scheint, folgerichtiger Schritt. Das Ziel ist klar: Der riesige Markt von 700 Millionen Menschen. Europa ohne viele Grenzen wird entstehen. Wer sich in diesem Markt behaupten will, sollte selbst grenzenlos sein, in seinem Mut, in seiner Kreativität, in seiner Liberalität, in seiner Fle- xibilität, in seinem Denken und in seinem Verständnis für den an- deren, in seinem Willen, die euro- päische Herausforderung in allen ihren Chancen aufzunehmen.

In diesem Riesenmarkt liegen auch die Chancen für die kleinen Staaten und für die mittelständi- sche Wirtschaft, bestehen zu kön- nen. Voraussetzung ist freilich, daß wir uns nicht abgrenzen, sondern öffnen. Die Zeit der Affen ist näm- lich im neuen Europa vorbei; jener drei chinesischen Symbolfiguren, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen wollen.

Wer im neuen Europa bestehen will, muß sehen können, die Pro- blemenämlich, die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede, die ökologischen Probleme - und wohl auch die Chancen, die sich bieten.

Wer im neuen Europa bestehen will, muß hören können. Auf die Angebote, auf die Worte aus den anderen Regionen, auf die Zwi- schentöne, auf die neuen Trends - und wohl auch auf die Hilferufe der Menschen.

Wer im neuen Europa, das auch ein Europa des Kommunikations- zeitalters sein wird, bestehen will, muß kommunizieren, sich verständ- lich machen, muß reden können. Mit den Handelspartnern, mit den Wirtschaftspartnern, mit den Äm- tern - und wohl auch und vorrangig mit den Menschen in den verschie- denen europäischen Regionen und mit denen, die zu uns kommen.

Auch wenn die Nationalratswahl für die ÖVP und andere deswegen so schlecht ausgegangen sein soll, weil sie am wenigsten gegen die Ausländer Emotionen schürte, sei es gesagt. Wer sich als Europäer feiern läßt, wer vom Aufbruch ins neue Europa spricht und Europa in seinem politischen Programm und in Sonntagsreden hat, in Wahl- kämpfen aber mit Angst und Schrecken vor Ausländern, seien es Flüchtlinge, seien es Arbeitskräfte, seien es Gäste agiert, der ist in Wahrheit ein Feind Europas, ist in Wahrheit gegen den Aufbruch nach Europa, ist für Grenzen, ist für ei- serne und eisige Vorhänge, ist ge- gen die Freiheit, ist mutlos, ist wenig kreativ, ist letztlich wohl auch sprachlos und kommunikations- feindlich.

Europa ist trotz aller seiner Pro- bleme im Jahr des europäischen Auf- und Umbruchs eine geistige Herausforderung, die wir mit der Österreichwoche aufgreifen wollen.

Europa ist heute mehr denn je die Herausforderung, die vielen Gren- zen, die sich die Europäer nicht nur um ihre Staaten herum gesetzt haben, aufzubrechen, sondern auch die vielen mentalen, die geistigen, die emotionalen und die sozialen, und auch die humanen Grenzen, die Nationalismen, die Rassismen, die Sprachgrenzen und die Wirt- schaftsgrenzen aller Art. Hier gilt es vieles aufzubrechen, insbeson- dere unsere inneren Sperren, gilt es, uns den Problemen zu stellen und sie lösen zu wollen. Beispiels- weise Schwarzarbeiter und Schwarzhändler. Anstatt neue Grenzen zu ziehen, sollte man dar- angehen, humane Lösungen zu su- chen,, jene Hürden, die zu Schwarz- arbeit verführen und zu Schwärz- handel zwingen, abzureißen.

Wer ins neue Europa aufbrechen will, wird sich auch darüber Ge- danken machen müssen, nicht nur darüber, wie man am besten auf dem Riesenmarkt bestehen könne, oder ob die mittelständische Wirt- schaft unseres Landes überhaupt den Aufbruch schaffen werde. Wer so denkt, signalisiert Kleinmut. Ich glaube, daß unsere mittelständische Wirtschaftsstruktur einige Voraus- setzungen mitbringt, um bestehen zu können, daß aber auch noch neue Startrampen gebaut werden soll- ten. Flexibilität, Mobilität sind die Vorteile und als Wettbewerbsfak- toren heute ebenso wenig zu über- gehen, wie die in den Klein- und Mittelbetrieben stärker als in den Großbetrieben vorhandene Mitar- beitermotivation. Zur Verbesserung jener Wettbewerbsfaktoren, wo es heute einen unleugbaren Vorsprung der Großen gibt, wie in der Pro- duktforschung, im Servicebereich, der Auslandsrepräsentanz oder im Vertrieb, müssen für die mittelstän- dische Wirtschaft neue Koopera- tionsformen gefunden werden.

Die Handelskammern sind auf- gerufen, dabei neue Aufgaben zu übernehmen. So wie sie auch neue Aufgaben im neuen Europa hätten. Die Wirtschaften im ehemaligen Ostblock sind dabei, sich mittel- ständisch zu strukturieren. Ich könnte mir vorstellen, daß die Landeskammem dabei als Geburts- helfer für einzelne europäische Regionen fungieren, indem sie Part- nerschaften eingehen. Unsere Han- delskammern sollten auch Anima- teure und Plattform für Unter- nehmerinnen) sein, die Koopera- tionen mit Unternehmungen in anderen europäischen Regionen anstreben. Das könnte ein echter „Aufbruch ins neue Europa - mit Qualität aus Österreich" sein.

Die Autorin ist Vizepräsidentin der Bundes- wirtschaftskammer.

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